Wandern zwischen den Welten....

12.06.02

Fortsetzung....

Die Sanitäranlagen auf dem Campo sind oft überwindungsbedürftig und verursachen bei mir meist psychosomatische Verstopfung, was ja mitunter ganz praktisch ist, sofern die Reise sich nicht gerade über Wochen hinzieht.

Zu meinem höchstpersönlich ausgeklügelten Anden-Survival-Kit gehören unter anderem
der obligatorische Seidenschlafsack, ein großes Allzweckstrandtuch (aus Indonesien), das mir schon als Schal, Duschvorhang, Sonnenschutz, Leintuch, Kopftuch, Rock und Tragetuch gedient hat. Und d
ann ist da ganz unbedingt noch meine schöne blaue Wärmflasche, ohne die ich fast nirgends mehr hingehe. Heißes Wasser kriegt man ja zum Glück so gut überall! Desweiteren eine Taschenlampe, Taschenmesser, Teebeutel sowie ein Teelöffel, ein paar gemopste Zuckerpäckchen aus dem schicken Café in Lima, Sonnencreme, Klopapier, Mülltüten, Ohrenstöpsel, eine große Wasserflaschen und Micropurtabletten, Wollsocken, Wanderschuhe, Schirmmütze, Müsliriegel. Bonbons und Stifte für die Kinder in den Dörfern. Das sind die Dinge, die man unbedingt braucht. Alles andere ist irgendwie austauschbar. Naja - fast alles...

Das Essen ist natürlich auch...hm... sagen wir mal "sehr anders" als zu Hause in Lima. Zum Frühstück gibt’s ein Stück Fleisch, Reis und frittierte Kartoffeln. Nicht gerade das, wovon ich morgens um sieben träume.... Ich begnüge mich mit trockenem Brot, das eilends aufgetrieben wird, und Nescafé. Ein Stück Käse dazu, wenn’s geht, oder eine Avocado, das ist dann schon das höchste der Gefühle....

Zum Mittagessen sind wir dann meist in einer Dorfgemeinschaft zu Besuch. Hier besteht das Essen fast immer aus einem Eintopf (Reis, Kaftoffeln, ein Stück altes, zähes Huhn) und dann je nach Region einer Hauptspeise – sei es gebratenes Cuy (Meerschweinchen), Reis mit Huhn, Kartofeln mit Fleisch oder – in ganz armen Gegenden – Reis mit Kartoffelbrei. Immer, immer, immer!! tischen die Leute das Beste auf, was sie anzubieten haben. Es treibt mir manchmal schier die Tränen in die Augen, die Armut der Leute zu sehen und gleichzeitig ihre Gastfreundschaft. Ich glaube, ich bin noch nie aus einer Comunidad weggefahren, ohne dass mir jemand was geschenkt hätte – eine Orange, ein Schal, eine Handarbeit, ein Stück Käse.

Die Begegnungen mit den Menschen in den Dorfgemeinschaften sind meist von „Befremden“ charakterisiert. Ich löse Befremden aus. Die Kultur der Menschen ist auch mir nach wie vor so fremd, so dass ich immer wieder „fremdle“. Inzwischen kann ich mit meinem Fremdeln zumindst souveräner umgehen. Manchmal gelingt es, das Eis zu brechen. Dann ist es genial. Oft gelingt es nicht. Dann bleibt es bei einem Dialog, der hauptsächlich von meinen Fragen und Kommentaren bestimmt wird.

Häufig erwarten die Menschen, dass ich mich irgendwie an sie richte. Dass ich etwas sage – vor allen, zu allen. Ich - die Weiße - die Gringa - die "Doctora", wie man mich hier häufig fraglos nennt, oder auch Ingeniera. Das war mir am Anfang immer total unangenehm. Heute fällt es mir leichter – trotzdem frage ich mich immer, wie meine Worte wohl ankommen, was sie wohl in den Menschen auslösen? Ob ich ihre Erwartungen erfülle? Vermutlich nicht - will ich doch auf keinen Fall das Cliché erfüllen, in das sie mich zu drängen versuchen.

Manchmal, wenn der Kontakt mit der Partnerorganisation gut ist, kann man sich darüber unterhalten. So wie bei der letzten Reise mit einem supernetten Projektteam.

Manchmal aber bleibt auch da eine gewisse unüberwindbare Distanz. Kulturelle Schranken. Nicht so einfach...

Wenn mehrere solcher Besuche bei verschiedenen Dorfgemeinschaften anstehen, um verschiedene Aspekte der Arbeit der Partnerorganisation kennenzulernen, merke ich nach ein paar Tagen, wie mein Energieniveau absinkt. Diese intensiven Begegnungen sind unheimlich anstrengend – ich erlebe das als anstrengender als einen 3tägigen Workshop, bei dem ich zumindest eine gewisse Routine walten lassen kann und auch immer wieder Rückzugsräume habe.

Wenn es dann zurück geht in die sogenannte "Zivilisation", bleibt ein Teil meines Herzens in der Region, fragt sich, was wohl die Frau jetzt macht, die vor ein paar Tagen meine Suppe gekocht hat, in dieser einfachen Lehmhütte, in der es sogar mit Fleecejacke und Anorak so ungemütlich kalt war. Ob sie auch noch an mich denkt? ....

In Lima freue ich mich ganz unverschämt auf eine heiße Dusche, auf einen echten Milchcafé, mein warmes, weiches, sauberes Bett. Ich schäme mich ein bißchen dafür, denke, was bin ich doch für eine zimperliche Zivilisationspflanze. Aber so ist es halt... Das Gute daran ist: Ich lerne auf dem Campo immer wieder den Luxus meines Lebens zu schätzen. Und das ist nur einer von vielen Gründen, warum es trotz aller Entbehrungen so faszinierend ist, mit Partnerorganisationen auf’s Land zu fahren!!!


 
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