Wandern zwischen den Welten....

12.06.04

Fortsetzung...

Die manipulativen und zum Teil illegalen Praktiken des Unternehmens,
welche zu der extremen sozialen Spaltung beigetragen haben, wurden in verschiedenen unabhängigen, teils internationalen Untersuchungen, wie auch in einem Bericht des peruanischen Ombudsmann des Volkes entlarvt,.[1] Das Unternehmen hat daher auch in gemäßigten Kreisen seine Glaubwürdigkeit verspielt. Nur die peruanische Regierung hält dem Unternehmen unbeeindruckt von aller Kritik treu die Stange, weil sie die ausländischen Devisen winken sieht. Vor kurzem haben ehemalige Mitarbeiter des Unternehmens ein Communiqué verfaßt, in dem sie die ethisch nicht vertretbaren Verhaltensweisen des Unternehmens anprangern und sich explizit von diesem distanzieren. Es gab bereits diverse Entlassungen im Unternehmen. Ob sich das Vorgehen in Zukunft tatsächlich verbessert, bleibt abzuwarten.

Selbst bei eingehendem Studium der verschiedenen Argumente ist es nicht einfach, sich eine differenzierte Meinung zu dem Fall zu bilden. Sicherlich würde die Mine ein gewisses Entwicklungspotenzial für die Gegend bieten. Sie würde die Kassen der Regionalregierung sowie der Stadtverwaltungen der Provinzen füllen. Mit dem Geld könnten Straßen gebaut werden, die gerade auch den entlegenen Dorfgemeinschaften einen Zugang zu Märkten eröffnen könnten. In der Praxis ist es jedoch meist so, dass die Steuern und Abgaben, die Bergbauunternehmen an den Staat abführen, meist nur die städtischen Zentren der jeweiligen Region erreichen, nicht aber die direkt vom Bergbau betroffenen Bauern, die in kleinen Dorfgemeinschaften leben und keine große Lobby in den Regionalregierungen und Stadtverwaltungen haben. Dies läßt sich gut am Beispiel anderer Bergbauregionen in Peru beobachten. Die staatlichen Behörden, welche bislang meist mit leeren Kassen gehaushaltet haben, sind mit dem vermeintlichen Geldsegen haushoch überfordert und nicht in der Lage, aus den Bergbau-Einnahmen echte Entwicklungsprozesse zu generieren.

Über die Steuereinnahmen hinaus hofft die Liga der Minenbefürworter außerdem auf dringend benötigte Arbeitsplätze in der Region. Auch hier werden wohl eher die Städter bzw. gebildeteren peruanischen Bürger zum Zuge kommen, kaum aber die analphabeten Bauern aus dem Einzugsgebiet der Mine. Im Verhältnis zu den Umsätzen einer Mine sind die dort bereitgestellten Arbeitsplätze aufgrund des hohen Technologisierungsgrades jedoch vergleichsweise gering.

Nicht zuletzt spekuliert man auch auf die vom Bergbauunternehmen durchgeführten Sozialprojekte, welche das Unternehmen in der Tat bereits begonnen hat. Die aktuelle Motivation für die Sozialprojekte dürfte wohl eher im Eigeninteresse des Unternehmens liegen, da das Unternehmen nach peruanischem Gesetz eine „soziale Lizenz“ aufweisen muss, um mit dem Abbau der Mineralien beginnen zu können. Dennoch läßt sich nicht bestreiten, dass die durchgeführten Maßnahmen für die Bevölkerung wertvoll sind. Die Frage, ob diese Sozialprojekte auch nach der Aufnahme der Abbauarbeiten andauern, bleibt offen. Das Bergbauprojekt wird von seinen Befürwortern jedenfalls mit vielfältigen Hoffnungen belegt – realistischen wie unrealistischen.

Die Minengegner, welche im direkten Einflussgebiet der zukünftigen Mine derzeit laut einer Umfrage die Mehrheit darstellen, argumentieren, dass die Natur geschützt werden muss. Gerade in Zeiten des Klimawandels haben die natürlichen Wälder an Bedeutung gewonnen und dürfen nicht dem großflächigen Kahlschlag durch den Bergbau zum Opfer fallen. Sie plädieren für den Schutz der Flora und Fauna und der kostbaren Wasserquellgebiete. Dort, wo die Kupfermine entstehen soll, liegen die sogenannten Párramos (Nebelwälder) die Quellgebiet für zwei wichtige Flüsse und Heimat für eine Vielzahl von seltenen Pflanzen und Tieren sind. So finden sich in dieser Region die letzten Tapire und Brillenbären Perus.

Von den Flüssen hängt die Landwirtschaft in den tiefergelegenen Trockengebieten ab, sowie die Bevölkerung der umliegenden Dorfgemeinschaften. Man befürchtet durch den Bergbau eine zunehmende Wasserverschmutzung sowie das allmähliche Versiegen der Quellen. Ein schwerwiegendes Argument ist hierbei, dass neben dem geplanten Bergbauprojekt, für das Majaz die Konzession hält (6472 Hektar), in den 4 betreffenden Provinzen (Ayabaca, Huancabamba, San Ignacio und Jaén) insgesamt fast 200.000 Hektar Land für den großindustriellen Bergbau konzessioniert sind. Das bedeutet für manche Distrikte, dass laut Planung des Ministeriums für Bergbau und Energie mehr als 50% des Territoriums dem Bergbau zum Opfer fallen sollen. Im Kern dreht sich der Streit also nicht alleine um das Bergbauprojekt Majaz, sondern um einen veritablen Bergbaudistrikt, in dem sich Hoffnungen wie Befürchtungen um ein Vielfaches multiplizieren.

Die beiden Lager liefern sich seit Monaten einen erbitterten Kampf. Oftmals werden dabei auch Fäuste und Waffen eingesetzt. Das Bildungsniveau in der Region ist niedrig, die Traditionen sind archaisch und die notorische Abwesenheit des Staates hat schon vor langer Zeit dazu geführt, dass die Leute ihre Probleme auf ihre eigene Weise regeln. Die Justiz beruht hier häufiger auf Willkür und dem Recht des Stärkeren als auf transparenten Regeln und Gesetzen. Im Fall Majaz hat diese Art, Auseinander-setzungen zu regeln, bereits ein Menschenleben und viele Verletzte gekostet. Der Graben ist inzwischen so tief, dass es in Huancabamba Restaurants gibt, in denen die Minenbefürworter essen, und solche, in denen die Minengegner essen. Irrt man sich im Restaurant, drohen Anfeindungen und Pöbeleien. Auch die Busgesellschaften, welche Transporte nach Chulucanas und Piura anbieten, sind offenbar in Minengegner und –befürworter gespalten und man reist nur noch unter Gleichgesinnten.

Angesichts dieses extrem angespannten Panoramas hat die Diözese von Chulucanas mit Untestützung von Misereor ein Projekt gestartet, das zum Ziel hat, die vom Bergbau betroffenen Dorfgemeinschaften differenziert über die geplante Mine und ihre möglichen Implikationen zu informieren. Man klärt auf, ohne zu manipulieren. Man liefert Daten und Erfahrungswerte, ohne Aufzuwiegeln. Man versucht in Workshops mit Gemeindeführern, Vertretern von Basisorganisationen und Mitarbeitern der Kirchengemeinden die soziale Kluft wieder zu schließen. Bei alledem ist man sich sehr bewußt, dass jede Intervention zu einer Verschärfung des Konflikts führen kann und ermahnt deshalb zu einem gewaltfreien Diskurs.

Eine wichtige Debatte dreht sich in den Workshops mit der Bevölkerung um die Frage nach alternativen Entwicklungsmodellen. Wenn man den Bergbau (aus guten Gründen) nicht will – was dann? Welche anderen Potenziale gibt es in der Region? Wie kann man diese Potenziale nutzbar machen?

Eine reale Option bietet das von der internationalen Entwicklungszusammenarbeit geförderte Erfolgsprojekt „Cepicafé“. Die Nordanden sind eine der wichtigsten Kaffeeanbauregionen Perus, hier wird seit etwa 12 Jahren ökologischer Kaffee für den fairen Handel produziert und nach Europa und in die USA exportiert.

Auch für Zitrusfrüchte ist die Lage sehr günstig – die süßesten Mangos, die herrlichsten Limonen und saftigsten Orangen werden hier produziert. Die in bislang nur wenigen Kooperativen zusammengeschlossenen Ökobauern fürchten, dass das Bergbauprojekt ihre Produktionsgrundlagen zerstören könnte und werben nun in den betroffenen Gemeinden aktiv für eine Ausweitung der Produktion.

Eine Nachfrage existiert, was fehlt, ist die Organisation der Bauern, ihre Ausbildung in Produktion und Vermarktung, ein großangelegtes Enwicklungsprojekt.

Das von Cepicafé und anderen Akteuren propgagierte nachhaltige Entwicklungsmodell beruht auf dem Export von ökologischen Produkten sowie dem Ankurbeln des nachhaltigen Tourismus in der landschaftlich reizvollen Region mit seinem herausragenden Naturschutzgebiet Tabaconas Namballe.
Bis zur Umsetzung eines solchen alternativen Entwicklungsmodells ist es aber ein weiter Weg, und viele Campesinos sind nicht gewillt, so lange auf eine Veränderung zu warten. Sie wollen eine schnelle Lösung – und die Mine scheint diese schnelle Lösung zu bieten. Zumindest verspricht sie das großspurig auf zahlreichen Häuserwänden.

Im September wird auf Initiative der Kaffeebauern, der Umweltschützer und der organisierten Minengegner nun in den unmittelbar von dem Bergbauprojekt betroffenen Gemeinden eine Volksbefragung durchgeführt, um das Votum des Volkes einzuholen. Der amtierende Präsident Perus, Alan García, hat bereits angekündigt, dass das Ergebnis der Abstimmung vom Staat nicht als rechtlich bindend anerkannt wird. Dennoch wird der Staat eine eindeutige Mehrheit, die sich gegen das Projekt ausspricht, nicht einfach ignorieren können. In Huancabamba fiebert nun also alles dem 30. September entgegen.

Es bleibt zu hoffen, dass die Monate bis zur Volksabstimmung ohne größere gewalttägige Auseinandersetzungen verlaufen und dass die Abstimmung selbst geordnet und friedlich über die Bühne geht. Dafür, dass nach der Volksabstimmung die Gräben wieder geschlossen werden können und die Bevölkerung mit dem Ergebnis – welcher Art auch immer – versöhnt werden kann, setzen sich die Partner von Misereor ein.

Nach dem dreitägigen Besuch in Huancabamba und Umgebung steht bei der Rückfahrt nach Chulucanas ein doppelter, leuchtender Regenbogen über unserem Weg. Ich betrachte ihn als ein Zeichen der Hoffnung und des Friedens.

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