Wandern zwischen den Welten....

25.01.08

Percy

Percy Portillas blättert nachdenklich durch die Seiten des Familienalbums.Seine Frau Ismary sitzt neben ihm, Sohn und Tochter schauen den beiden über die Schultern, deuten immer wieder lachend auf die Fotos vom vergangenen Jahr.

Seit den glücklichen Urlaubstagen hat sich Vieles verändert für die kleine Familie. Vor allem Percy hat sich verändert. Während auf den Fotos noch ein kräftiger, ja sogar fülliger Mann zu sehen ist, blickt einem heute ein schmalgesichtiger Mensch entgegegen, mit tiefliegenden Augen, fahler Gesichtshaut und zitternden Händen. Percy ist schnell außer Atem, von der Zeit, als er Meister im Gewichtheben war und Basketball spielte, kann er heute nur noch träumen.

Percy hat sechseinhalb Jahre als Maschinist für die Goldmine Yanacocha gearbeitet. Er mochte seine Arbeit, war stolz, für ein so großes und bedeutendes Unternehmen arbeiten zu dürfen.

Percy gehörte zu den Gewinnern, verdiente gutes Geld, kaufte ein kleines Haus in der Stadt für sich, seine Frau und seine drei Kinder.

Seit einem Jahr jedoch steht Percy’s Welt Kopf, seit einem Jahr gehört Percy nicht mehr zu den Gewinnern, sondern zu den Verlierern: es begann mit heftigen Durchfällen, schmerzhaften Magenkoliken, einem rapiden Gewichtsverlust von 30 Kilo innerhalb weniger Monaten. Die Ärzte in Cajamarca konnten sich diese Symptome nicht erklären, die Untersuchungsresultate fielen angeblich alle gut aus. Percy selbst bekam sie jedoch nie zu Gesicht und vertraute auf die Meinung der ihn behandelnen Unternehmensärzte. Nach einem halben Jahr begann Percy’s Schilddrüse verrückt zu spielen, offenbar eine Folge der rapiden Gewichtsabnahme. Die Behandlung mit radioaktiven Strahlen schlug nicht an, die Zitteranfälle von Percy wurden immer heftiger, an Arbeiten war für ihn über viele Monate nicht zu denken und es ging von Krankschreibung zu Krankschreibung.

Im November 2007 schließlich wurde Percy nach monatelanger Krankschreibung vom Bergbau- Unternehmen entlassen. Ein kleiner Unfall wurde zum Kündigungsgrund hochstilisiert, doch der Gewerkschaftsanwalt und Percy sind sich sicher, dass Percys anhaltende Gesundheitsprobleme der wahre Kündigungsgrund sind. Der Anwalt verwaltet Dutzende ähnlicher Fälle in seiner Gewerkschaftskanzlei und weiß, wovon er spricht.

Nach seiner Kündigung will Percy endlich wissen, was mit ihm los ist. Er geht nach Piura, läßt dort in einer unabhängigen Klinik erneut diverse Untersuchungen durchführen, und erfährt schnell, dass er stark erhöhte Quecksilberwerte im Blut hat - ein Berufsrisiko, von dem Percy zwar wusste, das er aber nie als ernstliche Bedrohung angesehen hatte. Die Schwermetallwerte im Blut waren von den Klinikärzten des Unternehmens ebenfalls untersucht worden, das Ergebnis jedoch hatte Percy nie schwarz auf weiß gesehen. Es sei alles okay, sagten die Ärzte, und Percy glaubte ihnen. Heute ist er eines Besseren belehrt „Hier in Cajamarca gibt es keinen einzigen Arzt, der nicht vom Unternehmen manipuliert wäre. Ständig werden unsere Werte kontrolliert, doch nie erfahren wir die wahren Ergebnisse. Und wenn wir krank werden, sucht das Unternehmen irgendeinen Vorwand, um uns auf die Straße zu setzen. Man entzieht uns die Krankenversicherung, man schmeißt uns raus wie ein Abfallprodukt. Wir haben ausgedient.“

Percy hat den Brief des Unternehmens, in dem er eine Kündigung in beiderseitigem Einvernehmen unterzeichnen sollte, nicht unterschrieben. Mit der Unterstützung des Gewerkschaftsanwalts zieht er in den Kampf gegen das Unternehmen, das ihn um seine Gesundheit betrogen hat, um seine Arbeitsfähigkeit, um seine Lebensgrundlage, um seinen Glauben an ein sozialverantwortliches Unternehmen.

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