Wandern zwischen den Welten....

19.10.07

Es begab sich aber zu der Zeit....

...dass ein Gebot von dem Präsidenten Garcia ausging, auf dass alle Welt geschätzet würde. Und diese Schätzung war zwar nicht die erste, aber eine sehr ernsthafte ihrer Art und geschah zu der Zeit, da sich die Nebel in Lima lichteten und in den Anden die ersten Regentropfen fielen. Und jedermann blieb zu Hause, auf dass er sich schätzen ließe, ein jeglicher in seiner Stadt...

...so beginnt die Geschichte des „Censo 2007“, der peruanischen Volkszählung. Sie knüpft damit an eine jahrtausendealte Tradition an und auch die Methoden, die hier in Peru zum Einsatz kommen, sind althergebracht, wenngleich nicht immer altbewährt: freiwillige Volkszähler werden am kommenden Sonntag mit Fragebogen und Stift bewaffnet von Haus zu Haus, von Wohnung und Wohnung gehen, und deren Bewohner zählen.

Die letzte Volkszählung liegt zwar erst zwei Jahre zurück, galt aber als gescheitert, weil die lieben peruanischen Bürgerinnen und Bürger offenbar wie die Hühner durcheinandergelaufen waren und die Zähler nachher nicht mehr durchblickten, wen sie nun schon gezählt hatten und wen nicht.

Diesmal soll das anders werden! Diesmal machen wir’s richtig, sagte sich Präsident Alan García und verhängte für den Zähl-Sonntag ein striktes Ausgangsverbot zwischen 8 Uhr und 18 Uhr. Das ist zwar verfassungswidrig, aber was soll's - mit der Verfassung nimmt es García auch in anderen Fällen nicht so genau... Man hat gefälligst zu Hause auf dem Sofa zu sitzen und zu warten, bis die Volkszähler die anwesenden Familienmitglieder, Hausmädchen, Hunde und Katzen gezählt haben. Und auch danach soll es erst mal kein Durcheinander auf den Straßen geben, um die Ergebnisse nicht zu verfälschen. Sonst schleicht sich da noch ein Gezählter in einen ungezählten Haushalt ein, und dann haben wir das gleiche Chaos wie beim letzten Mal.

Neben der schlichten Zählung der Personen werden auch Fragen zum Familieneinkommen, Bildungsniveau, Stromversorgung, Wasser- und Abwasseranschluss, Anzahl der Toiletten, Stereoanlagen, Microwellengeräte und DVD-Player in der Wohnung, Berufstätigkeit der Bewohner, Versicherungsangelegenheiten, Gesundheits- oder auch Krankheitsindikatoren abgefragt.

Auch Touristen, Zugezogene (wie ich...), Leute auf der Durchreise und Ausgewanderte werden gezählt. Alle, die sich am Sonntag im Lande aufhalten, müssen zu Hause respektive im Hotel bleiben, und wer doch einen triftigen Grund hat, zur Arbeit oder auf Reisen gehen zu müssen (Ärzte, Hotelpersonal, Sicherheitskräfte etc.), konnte sich vorab registrieren lassen und seine Angaben machen.Für die Statistik des Landes ist der kommende Sonntag ein bedeutender Tag, für Datenschützer ist es das reinste Horrorszenario, da die eingeholten Daten in keinster Weise geschützt werden. So sollen explizit Wirtschaftsunternehmen von den eingeholten Informationen profitieren können, und warum dann nicht auch gleich den Geheimdienst mitbedienen... ??? Uns Ausländern wurde folglich auch geraten, nur die Basisfragen zu beantworten, aber keine einkommensrelevanten Informationen preiszugeben.

Die Peruaner machen aus der Not der quasi Ausgangssperre eine Tugend und erklären den Tag zum Familienfest. Man sieht deshalb gerade außergewöhnliche Verproviantierungsaktionen für den kommenden Sonntag, neben Reis und Hühnchen werden schnell auch noch die neuesten Kinofilme als Raubkopien erstanden, um den Tag heil zu überstehen. Selbst pubertierende Jugendliche werden den Sonntag mit Eltern und Großeltern gemeinsam verbringen müssen. In gewisser Weise hat die Veranstaltung also etwas von Weihnachten – der Tag im Jahr, an dem alle im trauten Familienkreise zusammensitzen und keine alternativen Pläne verfolgen.... es wäre ja spannend, am Tag nach dem Censo nochmal eine Umfrage zu machen, wie die Leute den Tag überstanden haben und welche langfristigen Folgen das nach sich ziehen wird :-)))

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