Wandern zwischen den Welten....

30.10.05

Zwischen Blutwurst und Merengue....

Meinen 36. Geburtstag feiere ich in Santa Cruz, Bolivien. Ich nehme hier – gemeinsam mit 6 Vertretern von Partnerorganisationen aus Peru – an einem internationalen Seminar zu „Bürgerbeteiligung und Sozialer Kontrolle“ teil. Die Teilnehmer kommen aus Venezuela, Costa Rica, Honduras, Bolivien und Peru.

Ich habe niemandem von meinem Geburtstag erzählt, um so überraschter bin ich, als die gut 70 Teilnehmerinnen am Morgen, als ich den Konferenzraum betrete, zum Geburtstags- ständchen anheben. Ich werde mit Blumen geschmückt und mit vielen Umarmungen und Küsschen bedacht und alle wünschen „feliz cumpleaños“.

Für den Abend steht das „Casa de Camba“ auf dem Programm, ein typisches Restaurant mit typischem Essen wo ich typischerweise mal wieder unter den ersten eintreffenden Gästen bin, während der Rest der Truppe über die nächsten zwei Stunden verteilt einlaufen wird. Nicht nnur die Gäste, sondern auch das Essen läßt auf sich warten und um die Zeit zu überbrücken, singen mir meine Kollegen zum x-ten Male ihr spanisches Happybirthday und die Kellner beeilen sich, eine kleine Hochzeitstorte samt Kerze aus der Küche herbeizuschaffen. Inzwischen ist es schon kurz vor zehn, meine peruanischen Kollegen sind soeben auch (als letzte...) eingetroffen, und da wir nun doch schon geraume Zeit fleisch- und reislos da sitzen, bringen uns die Kellner gnädigerweise zum Auftakt bunte Salatteller, welche von den Kollegen aus Honduras, die um mich herumsitzen, zunächst misstrauisch beäugt und schliesslich verächtlich in die Tischmitte geschoben werde. Bediene sich wer mag – wir sind schließlich keine Kühe!! Ich bediene mich gerne, der Salat ist überaus lecker und so bin ich denn auch schon relativ satt und zufrieden, als nach einer weiteren halben Stunde endlich riesige heiße Steine mit Bergen von Fleisch, Wurst und gebratenen Innereien auf den Tisch kommen. Die Augen meiner Nebensitzer leuchten auf, während sich mir beim Anblick dieser Fleischberge eher der Magen verschließt. Ich nehme mir höflich ein Stück Fleisch, von dem ich einen kleinen Teil abschneide und das ich dann mit dem Argument, es sei noch nicht genug durchgebraten, zurück auf den heißen Stein lege, von wo es den Weg nicht mehr zurück auf meinen Teller finden wird. Ich nehme mir statt dessen noch etwas von dem verschmähten Salat und beobachte mit staunenden Augen, wie meine Tischgenossen sich ein Stück Fleisch, Blutwurst, Chorizo... nach dem anderen auf den Teller laden und verschlingen. Die Szene ruft irgendeine ferne Erinnerung in mir wach, ich weiß nur nicht genau, wo ich das schon mal gesehen habe. Dann komme ich drauf – es handelt sich um eine Szene aus einer meiner Lieblingskinderserien: „Michel aus Lönneberga“. Da gibt es in einer Folge ein Schlachtfest, zu dem alle Nachbarn und Verwandten eingeladen sind. Die Leute sitzen wie wir alle um eine riesige Tafel herum und laden sich bergeweise Kochwürste und Siedfleisch auf den Teller und essen, bis ihnen die Wurst fast schon wieder zu den Ohren rauskommt und sie sich vor lauter Völlerei kaum mehr bewegen können. Immerhin im letzten Punkt beweisen meine Latinos aber deutlich mehr Härte – und fordern mich als Geburtstagskind natürlich als erstes zum Tanzen auf. Meine Salsa- und Merengue-Kenntnisse stehen leider im krassen Gegensatz zu meinen 36 Lebensjahren und es ist mir äußerst peinlich, nun vor mindestens 70 neugierigen Zuschauern meine Unkenntnis zur Schau zu stellen. In Lateinamerika zu leben und die lateinamerikanischen Tänze nicht zu können ist ungefähr so, wie wenn man am Nordpol nicht fischen kann.

Aber so ist es, ich kann es auf die Schnelle nun auch nicht ändern und so nehme ich’s mit Humor und mache fröhlich weiter mit meinem improvisierten Gewackel. Der Abend ist trotz der eigenartigen Mischung aus Blutwurst und Merengue ein wirklich netter Auftakt in’s neue Lebensjahr und steht vermutlich stellvertretend für viele noch zu erwartenden - mal lustigen, mal exotischen, mal befremdlichen - Erlebnisse, die mich im kommenden Lebensjahr in meiner neuen lateinamerikanischen Heimat noch erwarten.....


 
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