Wandern zwischen den Welten....

23.12.06

Meine zwölf Highlights 2006

Ein ganz persönlicher Rückblick auf ein bewegtes und bewegendes Jahr....

Ein weiteres Jahr geht seinem Ende entgegen und während meiner langen Reise von Lima nach Weikersheim habe ich Zeit, meine Gedanken zurückschweifen zu lassen. 2006 – was war da noch ???

Da ist im Januar zunächst mal die Geburt meines Neffen Jonas. Ich weiß noch gut, wie ich in Lima in meinem Wohnzimmer stand, den Blick über die Dächer von Miraflores schweifen ließ, als mein Bruder mich aus Dubai anrief und mir ganz aufgeregt von der Geburt seines Sohnes Jonas erzählte. Der Familiennachwuchs hatte es eilig, auf diese Welt zu kommen, und kaum war er da, setzte das eine regelrechte Pilgerbewegung von West nach Ost in Gang, denn alle wollten den kleinen Neuankömmling möglichst schnell begrüßen. Von Lima nach Dubai ist’s aber doch eine Ecke, so dass ich Jonas erst im Mai kennenlerne. Da kann er dann auch schon ganz breit grinsen :-)

Jobmäßig steht die erste Jahreshälfte ganz im Zeichen der Medien – erst habe ich einen Hörfunk- journalisten zu Gast, der eine Reportage zur peruanischen Stadt La Oroya macht, die den traurigen Rekord hält, zu den zehn verschmutztesten Städten auf der ganzen Welt zu gehören.

Im Mai sind dann Ralph und Mirjam von Kigali-Films zu Besuch und drehen einen Film über den Goldbergbau in Cajamarca im Norden Perus. Der Besuch einer der größten Goldminen der Welt ist ein sehr beeindruckendes Erlebnis – die Gespräche mit den Verlierern dieses Geschäfts nicht wenig eindrücklich... Inzwischen ist der Film ins Spanische und Englische übersetzt worden und ich habe in Peru mehr als 200 Exemplare davon an NGOs und Umweltaktivisten verteilt – und die Nachfrage reißt nicht ab... Außerdem ist er inzwischen auch im Internet zu sehen unter Google-Videos (hier klicken) Dass ich in Mirjam und Ralph außerdem zwei neue Freunde gefunden habe, hat das Ganze zu einem unvergesslichen Erlebnis gemacht.

Zwischen den Journalisten sind Ruth, Hans und Johanna in Lima zu Besuch und es ist schön, meine Welt auf der anderen Seite des Atlantiks diesen für mich so wichtigen Menschen zeigen zu können. Lima durch die Augen von Besuchern zu betrachten, ist für mich immer wieder spannend, weil ich dann wieder Dinge wahrnehme, die mir im Alltag schon gar nicht mehr auffallen – das Chaos auf den Straßen, der Großstadtdschungel, die vergitterten Häuser, die ungeheure Vielfalt an Fisch, Meeresfrüchten, Obst und anderen Leckereien, das stete Gehupe, der krasse Reichtum in manchen Vierteln, der kontrastiert mit der Armut in weiten Teilen Limas .... und und und.....

Der Besucherstrom hält an und im April kommen Hedwig und Mathias zu Besuch. Die beste Freundin meiner Mutter zu Gast in Lima zu haben, ist fast ein bißchen, als käme mich meine Mum besuchen.... die beiden genießen ihre Reise durch Peru von Anfang bis Ende von ganzem Herzen und verblüffen mich mit ihrer uneingeschränkten Begeisterung für dieses Land, seine kulturellen Schätze und seine liebenswerten Menschen... Von Kulturschock keine Spur, nur große, offene Augen, Staunen und Begeisterung!

Im Mai fliege ich mit peruanischen Gästen nach Deutschland, wo wir in Berlin und Brüssel Gespräche mit Parlamentariern führen – es geht auch hier mal wieder um's Thema Rohstoffe, die Europäischen Handelsabkommen und internationale Arbeits- und Umweltstandards für globa operierende Unternehmen.
Der Katholikentag, bei dem auch Gäste aus anderen Kontinenten zum Thema Bergbau berichteten, öffnet mir den Blick dafür, wie ähnlich die Problemlagen in vielen ressourcenreichen Ländern wie Peru, Guatemala, Ghana oder Indonesien sind...

Im August habe ich Besuch von meiner Freundin Diana, die ihren kleinen Sohn Felix zu Hause zurückläßt um drei Wochen lang mit mir durch Peru zu reisen und (dies war allerdings nicht so geplant....) mir im schwierigsten Moment des Jahres zur Seite zu stehen. Das Schicksal meint es sehr gut mit mir als es dafür sorgt, dass Diana just in dieser schwierigen Zeit bei mir ist. Und das Schicksal meint es doppelt gut mit mir, als sich rausstellt, dass die Krebsdiagnose, die man mir gestellt hatte, eine Fehldiagnose ist!

Die Herbstmonate bringen Sonne und Erleichterung. Es geht gesundheitlich endlich wieder bergauf und der Tag im Oktober, als ich meine Schwimmroutine wieder aufnehmen kann, zählt somit auch zu meinen Highlights des Jahres.

Im Oktober organisiere ich für eine kleine Spendergruppe von Misereor eine Projektreise durch Peru und die Begegnung mit diesen engagierten, kritischen, weltoffenen und interessierten Menschen gehört sowohl auf der beruflichen als auch auf der persönlichen Ebene zu den herausragenden Erlebnissen des Jahres!

Meine „Rückkehr in’s Leben“ feiere ich an meinem Geburtstag zusammen mit fast 40 deutschen und peruanischen Freunden – ein schönes, buntes, fröhliches Fest mit all den Menschen, die mir in Lima in den fast zwei Jahren, die ich jetzt dort bin, wichtig geworden sind.

Beruflich bin ich weiter mit dem Bergbau-Thema zu Gange und kann hier vor Jahresende noch zwei wichtige Events abschließen: zum einen eine Bergbaurunde mit Vertretern des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zum Thema Bergbau in Peru, in der es uns gelingt, ein bißchen Bewußtseinsbildung zu betreiben, zum anderen eine Fortbildung in Konfliktmanagement, die sich über 4 Monate erstreckt und für viele unserer Partner ein wichtiger Ort des Austauschs und der Orientierung zu sozialen Konflikten, insbesondere in Bergbauregionen ist.

Besonders beeindruckt mich im Dezember der Tag, als ich mit einer Müllsortiererin in Lima unterwegs bin und mal wieder hautnah erleben kann, wie unheimlich mühsam und auf welch erniedrigende Weise sich viele Menschen in Peru ihr Leben verdienen müssen, und wie sie darum kämpfen, dabei nicht ihre Würde zu verlieren. Das Schicksal dieser Menschen und die Stärke, mit der sie es tragen, motivieren mich, weiter den Weg der kleinen Hilfen und Hoffnungen zu gehen...

Nun bin ich also wieder mal zurück in Deutschland, in der Weikersheimer Vorbachmühle. 12 Highlights des Jahres liegen hinter mir, oder eigentlich waren es ja noch viel mehr.... denn da war ja auch noch der schöne Tag auf dem Segelboot im März, die Reise nach Venezuela im April, ein schöner Ausflug nach Huaraz im Juni, der Besuch auf dem Friedhof an Allerheiligen...... Und daneben die alltäglicheren Freuden wie Theaterbesuche in Lima, gute Konzerte und Kinofilme und viele, viele gute, kritische, nachdenkliche oder auch mal alberne Gespräche mit teils neuen, teils "alten" Freunden in Lima. Es gäbe noch von so viel mehr kleinen und großen Highlights zu berichten. Am glücklichsten aber macht mich, dass ich etwas wiederhabe, was ich zwischenzeitlich verloren glaubte: meine Gesundheit. Und mit der Gesundheit kamen auch mein Optimismus zurück, meine Lebensfreude und die Freude an dem, was ich in Lima tun und bewegen kann....

Ich schaue also voller Spannung und Neugier auf’s neue Jahr. Und voller Demut - denn das wurde mir dieses Jahr so deutlich wie nie zuvor: alles, was wir in unseren Köpfen an Plänen für die Zukunft schmieden, kann sich innerhalb weniger Momente in Schall und Rauch verwandeln. Und dann kommt vielleicht alles ganz, ganz anders, als gedacht... in diesem Sinne mache ich für 2007 weniger Pläne und konzentriere mich mehr auf’s Leben im Hier und Jetzt und Heute.....


 
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