Wandern zwischen den Welten....

11.11.05

Gold, Gold, Gold

In den vergangenen drei Tagen habe ich an einer Konferenz zum Bergbau in Lateinamerika teilgenommen. Ein trauriges Thema, nicht erst seit heute, sondern für Lateinamerika schon seit über 500 Jahren, seit nämlich die Europäer mit ihrer Gold- und Geldgier ihren Fuß auf diesen Kontinent setzten. Wo Gold ist, gibt es immer Konflikte. Und je mehr Gold, um so größer die Konflikte, wie es scheint.

Hier in Peru – wie in vielen anderen Ländern Lateinamerikas, Afrikas und Asiens – geht es bei den ganzen Bergbaukonflikten vor allem um zwei Dinge: Land und Wasser.

Die Problematik läßt sich schnell erklären: korrupte Regierungen verkaufen für einen Apfel und ein Ei die Rechte, die wertvollen Mineralien abzubauen. In Peru sind inzwischen 12% des nationalen Territoriums konzessioniert, in Honduras sind es über 35%. Die Bergbauunternehmen kommen aus den USA, Kanada, Australien, der Schweiz.

Abgebaut werden alle möglichen Metalle, in Peru vor allem Gold, das nach dem dreckigen Abbaugeschäft als relativ sauberer Rohstoff in die Schweiz verfrachtet wird, welcher dann zu Goldbarren geschmolzen, die dann wiederum nach Indien und Pakistan verkauft werden, wo sie sich in Ohrstecker und Armreife verwandeln und zum Statussymbol und Brautschmuck für zum Teil selbst bettelarme indische Frauen werden.

Der Abbau erfolgt nicht mehr im Stollen, wie vor 100 Jahren, sondern im Tagebau, wo sich selbst feinster Goldstaub noch aus der Erde extrahieren läßt. Ein großer See aus Wasser und Zyanid unter freiem Himmel dient als Chemielabor: Berge werden Schicht für Schicht abgetragen, das Erdmaterial in den Zyanidsee geworfen, in einem chemischem Prozess trennt sich das Gold von der Erde und dem Gestein. Aus einer Tonne Erdmaterial gewinnt man auf diese aufwendige Weise eine Unze Gold.

Um eine Tonne Erdmaterial zu verarbeiten, benötigt man drei Tonnen Wasser. Im letzten Jahr wurden in Peru mehr als 180 Tonnen Gold produziert, die jährliche Wachstumsrate dieses Industriezweigs liegt bei etwa 8 Prozent.

Bedenkt man, dass Peru zu großen Teilen ein Wüstenland ist, in dem Wasser ein extrem knappes Gut ist, und bedenkt man weiter, dass das Wasser, welches von der Mine freigesetzt wird, für landwirtschaftliche Zwecke nicht mehr nutzbar ist, kann man sich ohne viel Phantasie die Konflikte zwischen Bergwerk und Bauern vorstellen.

Wenn die Mine nach relativ modernen Standards arbeitet (europäische Standards werden hier selbstverständlich nie angewandt), setzt sie nur bei den diversen kleinen oder großen „Unfällen“ größere Mengen von Chemikalien frei - der Rest der durchaus permanent vorhandenen Umweltverschmutzung erfolgt in kleinen Dosen, welche nur dann nachweisbar sind, wenn regelmäßig Wasserproben an immer den gleichen Stellen mit immer den gleichen Standards entnommen und analyisiert werden und so die kontinuierliche Verschlechterung der Wasserqualität über die Zeit hinweg nachgewiesen werden kann. Dieses Verfahren ist aufwendig und kostspielig. Es braucht gut ausgebildete Techniker und unabhängige Labore - alles Voraussetzungen, die in Peru derzeit nicht gegeben sind.

Wenn die Mine schon seit vielen Jahren produziert (und derer gibt es in Peru viele), braucht es erst gar keinen Unfall, um zum Beispiel den Bleigehalt im Blut der Kinder in der Umgebung der Mine um ein Fünffaches über den erlaubten Höchstwerten der WHO liegen zu lassen.

Auch Land ist eine knappe, wertvolle Ressource in Peru, vor allem fruchtbares Land, das für den Ackerbau taugt. Land, das mit Hilfe von künstlicher Bewässerung zu einer Lebensgrundlage wird. Kommt die Mine, wird die Landwirtschaft unmöglich, ganze Dörfer werden umgesiedelt, die Bauern mit einem kleinen Taschengeld abgespeist, wovon und wie sie in Zukunft leben sollen, müssen sie selbst herausfinden.

Die Umweltgesetzgebung von Peru ist relativ vorbildlich – weniger vorbildlich ist leider die Regierungsführung, welche Korruption zur gängigen, nicht sanktionierten Praxis macht. So erstaunt es nicht, dass die Industrie nur allzu gerne und häufig die Umweltauflagen ignoriert und statt dessen ein saftiges Schmiergeld zahlt, damit der zuständige Funktionär beide Augen zudrückt. Auch Konzessionen für Minengebiete werden auf diese Art vergeben – keine vorherige Konsultation der betroffenen Bevölkerung, kein Mitspracherecht – und dann wundert man sich über die wachsende Zahl an schwelenden Bergbaukonflikten im Land, wo Bauern auf die Barrikaden gehen, Zufahrtsstraßen blockieren und mit gewaltsamen Maßnahmen ihre Rechte einfordern. Im letzten Jahr gab es unzählige Verletzte und mehrere Tote bei diesen Konflikten.

Es gibt keine Umweltaufsichtsbehörde in Peru. Die Aufgabe, über die Einhaltung der Gesetze und Umweltauflagen zu wachen, fällt den Bauern in den Gemeinden zu. Ein Witz! Bauern, die häufig nicht mal lesen und schreiben können, sollen transnationalen Konzernen nachweisen, dass sie die Umwelt verschmutzen. Fragt man die Bauern, wie sie beweisen wollen, dass der Dreck von der Mine kommt, erzählen sie von verstorbenem Vieh, von toten Fischen im Fluss, vom ekligen Geruch des Wassers. Doch ohne eine wissenschaftlich handfeste Studie mit harten Fakten und Daten ist dieser Kampf nicht gewinnen. Studien aber sind teuer. Wenn das Bergbauunternehmen großzügig ist, bezahlt es eine Umweltstudie. Durchgeführt von einem Beratungsbüro, welches dem Bergbauunternehmen gehört. In diesen Studien kann man dann schwarz auf weiß nachlesen, dass von der Mine keinerlei Gefährdung für Mensch und Tier ausgeht, dass 95% des Wassers recycelt werden und dass der ganze Bergbau zwar zum Himmel stinken mag, aber eigentlich eine sehr, sehr saubere Sache ist.....

Man kann sich leicht die Wut der Bauern vorstellen, die sich durch die Mine ihrer Lebensgrundlage beraubt sehen. Nicht nur beansprucht die Mine einen großen Teil des knappen Wassers für ihre Zwecke und entzieht sie so der Landwirtschaft und den Bewässerungskanälen. Auch bezahlt die Mine häufig noch nicht mal für das Wasser. Immer wieder passieren „Unfälle“ und Chemikalien wie Zyanid oder Quecksilber gelangen in die Umwelt.

Trotz massiven Wachstums dieses Industriesektors in Peru hat die Armut in den betreffenden Regionen nicht abgenommen. Wer davon profitiert, sind in erster Linie die Unternehmen und eine kleine, ohnehin privilegierte Oberschicht, die ihre Finger im Minengeschäft hat.

Der hochtechnisierte Tagebergbau schafft kaum Arbeitsplätze – in den Bergbauregionen geht der Reichtum, was bleibt, ist die Armut, und oftmals eine Wüstenlandschaft mit irreparablen Umweltschäden, die noch Jahrzehnte lang weiterbestehen, wenn das Bergbauunternehmen längst seine schwere Maschinerie abgezogen hat und seine Gewinne an anderer Stelle erwirtschaftet.

Immer öfter gehen deshalb die Bauern und Gemeinden auf die Straßen, protestieren gegen diesen Raubbau an der Natur, gegen das Abrasieren der Berge, die für die Inkas „Apus“ waren – Götter, beseelte Wesen, deren Gunst man sich immer und immer wieder durch Opfer und Redlichkeit sichern musste.

Unterstützt werden die Bauern von nationalen NGOs, die wiederum finanziert werden mit Geldern der Entwicklungszusammenarbeit. Auch Misereor engagiert sich stark im Bergbaubereich, für die Einhaltung der Menschenrechte, für die Einhaltung von Umweltstandards, für ein Mitsprache- und Mitentscheidungsrecht der betroffenen Bevölkerung.

Doch es wird auch deutlich, dass es hier nicht „nur“ um Wasser-, Land- und Umweltprobleme geht. Es geht um das Wertemodell einer globalisierten Weltgesellschaft, deren höchstes Ziel das Ansammeln von Macht und Reichtum ist.

Die Bauern in Cajamarca und Apurimac teilen dieses Weltmodell. Sie wollen auch ihren Teil vom großen Kuchen abhaben. Man will mitentscheiden, mitreden, vor allem aber auch mitverdienen. Es reicht nicht mehr, nur zuzusehen, wie die Gewinne in großen LKWs aus dem Land geschafft werden. Die Leute wollen mit profitieren, damit sie ihren Kindern eine bessere Schulbildung bezahlen können, damit sie sich einen Fernseher kaufen können, ein Auto, all diese schönen, glänzenden Errungenschaften der modernen Welt. Ein Goldring darf schon auch mal dabei sein.

Weiterführende Infos zu diesem Thema unter http://www.nodirtygold.org/cajamarca_peru.cfm

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