Lomas de Carabayllo - oder: vom Leben auf der Müllkippe
Einige Kleinstunternehmen haben sich auf das „Recycling“ von Autobatterien spezialisiert: in einer großen Stahltonne werden die Autobatterien angezündet und auf diese Weise das Blei in der Batterie verflüssigt und „recycelt“. Ein schönes Wort, das einen gesunden, systemischen Kreislauf suggeriert, von dem hier in keinster Weise die Rede sein kann.
Die bei diesem Prozess entstehenden Abgase liegen nachts bleischwer über dem Viertel – tagsüber wird inzwischen nicht mehr ausgebrannt, weil die Bewohner des Viertels sich über die schwarzen Rauchwolken beschweren, über die Abgase, die in den Augen brennen und Husten und Atembeschwerden verursachen.
Nachts aber, wenn keiner die schwarzen Rauchwolken sehen kann, läuft das Geschäft auf Hochtouren. Wir fragen bei den Bewohnern nach und erfahren, dass die leeren Autobatterien von zwei Großhändlern an die Kleinstunternehmer verteilt werden. Die Batterien kommen aus Peru und den benachbarten Ländern Chile, Bolivien, Ecuador, Argentinien... Peru ist eines der wenigen Länder in Lateinamerika, in denen diese Praxis noch nicht per Gesetz verboten ist, in allen umliegenden Ländern gibt es für das Recycling von Autobatterien inzwischen strenge Umweltgesetze und der Import leerer Batterien ist gänzlich verboten. Nicht so allerdings der Export leerer Batterien nach Peru, so dass inzwischen in Peru das Geschäft boomt. Das gewonnene Blei holen die beiden Großhändler dann wieder bei den kleinen, informellen Unternehmen ab und verkaufen es weiter. Zum Beispiel an das us-amerikanische Unternehmen Doe Run Peru, das seinen ganz eigenen Umweltskandal hat und deshalb wegen dieser vernachlässigbaren Umweltsauerei bisher noch nicht in die Schlagzeilen kam. Die ausgebrannten Batteriegehäuse landen in der Landschaft und so begegnen uns in Lomas de Carabayllo zahlreiche Schuttberge mit solchen Batteriegehäusen.
Ein Nachbarjunge, der unser Gespräch mithört – Miguel – erzählt mir stolz, dass sein Papa zu Hause auch eine ganze Menge solcher Batterien habe – ob ich sie sehen wolle? Natürlich will ich sie sehen – und so führt mich Miguel also zu sich nach Hause. Der Vater beäugt mich mißtrauisch, erzählt dann aber freimütig, dass er selbst sich aus dem Geschäft des Batterierecyclings zurückgezogen habe – mit dem wachsenden Widerstand der Bevölkerung wurde ihm das Geschäft zu heiß und die jetzt noch vor seiner Hütte aufgestapelten Batterien seien einfach dem Umstand zu verdanken, dass er nicht am Stromnetz angeschlossen ist und deshalb seinen Fernseher mit Autobatterien betreibt. Für die leeren Batterien findet er ja dann in der unmittelbaren Nachbarschaft freudige Abnehmer...
Carmen zeigt uns ihr kleines Unternehmen – gemeinsam mit ihrem Mann produziert sie auf dem staubigen Wüstenboden Spülsteine, die sie dann verkauft. Vom Erlös kauft sie wieder Material, um weitere Spülsteine herstellen zu können. Das Unternehmen ist klein, der Umsatz auch, die Gewinne noch kleiner.
Während sie und ihr Mann arbeiten, spielt Carlos auf dem Boden, beäugt neugierig die diversen Gegenstände, die er am Wegesrand so vorfindet, entdeckt die Welt – wie alle kleinen Kinder – indem er sich auch schon mal was mit dem Mund erschmeckt.
Trotz aller Widrigkeiten hat Carmen große Träume – sie ist hierhergezogen, um ein blühendes Geschäft zu betreiben. Sie will vorankommen, für sich und ihre Familie eine rosigere Zukunft schaffen als sie hier im grauen Wüstenstaub vorstellbar ist. Dass es dorthin ein weiter, trockener, staubiger Weg ist, weiß sie so gut wie wir.
Labels: Entwicklungszusammenarbeit, Lima, Peru