Wandern zwischen den Welten....

19.02.06

Deutscher Club „Germania“

Also...nach nun mehr einem Jahr in Peru haben Freunde mich heute zum ersten Mal mit in den Deutschen Club mit dem schönen Namen „Germania“ genommen. Das ist ein Ort, an dem sich Deutsche und Menschen mit Deutschlandbezug treffen, Sport treiben, ein Bier oder auch einen Pisco Sour zusammen trinken, essen, plaudern, sich austauschen... was man eben gerne so macht, als Deutscher.

Der Deutsche Club von Lima befindet sich in Surco, ca. 20 Minuten Fahrt von meinem limeñischen Domizil entfernt. Es handelt sich um ein mit hohen Mauern umschlossenes Gelände, bei dem man einen Mitgliedsausweis vorweisen muss, um Einlass zu finden (mit selbigem konnten meine Freunde als zahlende Mitglieder souverän wedeln und schon öffneten sich die Tore). Sobald man hinter der großen Mauer ist, landet man in einer exklusiven Welt, die eine skurrile Mischung aus „typisch deutsch“ und „sehr speziell peruanisch“ ist: ein Parkplatz mit eigens ausgewiesenen Behindertenparkplätzen und fein säuberlich markierten Parkbuchten erweckt sofort die Erinnerung an mein Heimatland. In den geräumigen Umkleidekabinen (nur für Damen über 16 Jahren – wie eine Aufschrift auf der Tür gebieterisch verkündet) herrscht makellose Sauberkeit, in den ebenfalls klinisch sauberen Toiletten gibt es Klopapier (ein Utensil, das auf peruanischen Toiletten standardgemäß selbst mitzubringen ist), den Wasch- und Duschraum ziert ein Plakat mit einer aus zwanzig ordentlich durchnumerierten Punkten bestehende Anleitung, was vor der Benutzung des Schwimmbeckens zu tun und zu unterlassen ist.... kurz und gut: Ich fühle mich hier sofort wie zu Hause. Das blaue Freibad („Seitlich einspringen verboten!“ und „vor Benutzung des Beckens Duschen“) ist von einer ansehnlichen und von einem peruanischen Gärtner offenbar hingebungsvoll gepflegten Liegewiese umgeben, auf der – ebenfalls ordentlich in Reih und Glied aufdrapiert – blaue und orangefarbene Liegen für den erlauchten Germanen bereitstehen. Ich schwimme fröhlich meine Bahnen im fast menschenleeren Schwimmbecken (der hohe Mitgliedsbeitrag im deutschen Club führt dazu, dass selbst bei hochsommerlichen dreißig Grad im Schatten die Anzahl der Gäste überschaubar bleibt), lege mich dann auf eine der schönen blauen Liegen, über mir ein gelber Sonnenschirm und gebe mich dem Sonnenbad hin. Doch dann bricht in mein gerade erst neu entdecktes schönes, deutsches Idyll eine skurrile peruanische Oberschichtenrealität: Acht gepflegte peruanische Damen haben gleich neben meinem Liegestuhl ihr Lager aufgeschlagen und wälzen nun im breitesten Limeño-Spanisch ihre weltbewegenden Themen, wie z.B. welche Nachtcreme welche Art von Falten am wirkungsvollsten bekämpft und wo selbige zu welchem Preis erstanden werden kann, wie die hohen Cholesterolwerte am effektivsten niedergekämpft werden können, wer das oh so wunderschöne Bikinioberteil von Laurita designt hat und wo es möglicherweise gerade zu Sommerschlussverkaufspreisen erstanden werden kann. Als „wir“ das für diesen Gesprächskreis natürlich obligatorische Diätenthema durch haben, wedeln 5 braungebrannte und fein säuberlich manikürten Hände nahezu zeitgleich nach dem caféfarbenen Kellner, um eine Inca Cola Light zu bestellen, man tauscht kalorienarme Apfeldessertrezepte aus (lecker, schnell zubereitet und noch dazu überhaupt nicht teuer!!!!) und begrüßt wortreich jeden Neuzugang, was sich ungefähr so anhört: „Oooooooooooh! Cintia, mi amor! Was für eine wundervolle Hose Du heute anhast!!!! Sie steht Dir einfach phantastisch! Also wrklich – ganz phantastisch, meine Liebe!!! Du siehst absolut hinreißend aus!!! .....

Ich schaffe es angesichts dieses Spektakels kaum noch, mich auf meine mitgebrachte Lektüre zu konzentrieren und ertappe mich immer wieder dabei, wie ich mit vor Entsetzen und Erstaunen weit aufgerissenen Augen die Tanten auf den Nachbarliegen anstarre... und komme schließlich kopfschüttelnd zu dem Schluss, dass ein Jahr längst nicht ausreicht, um die vielschichtige peruanische Realität kennenzulernen. Es gibt für mich offenbar nach wie vor sehr viel zu entdecken, in diesem Land der extremen Gegensätze...


 
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