Wandern zwischen den Welten....

02.02.06

Mein peruanischer Arbeitsalltag....

Es ist ja schon ein sehr anderer Arbeitsalltag, den ich hier in Peru pflege, als ich das von Deutschland gewohnt war. Hier fahre ich nicht mit dem ICE nach Bonn, sondern fliege im günstigsten Fall mit LAN Peru in die Anden – aber auch zehnstündige Busfahrten oder die eine oder andere Holpertour im allradbetriebenen Pickup-Truck sind nichts Außergewöhnliches mehr. Was aber der weitaus größere Unterschied ist: hier arbeite ich häufig mit Gruppen, die zum größten Teil aus Männern bestehen. Meine Workshopteilnehmer sind – wie gestern und heute auch mal wieder – häufig landwirtschaftliche Berater, deren Gesprächsthemen sich um den Anbau von Futterpflanzen, die Viehzucht im Andenhochland (Lamas, Alpacas, Meerschweinchen) oder auch den Bau von Unterständen und Bestallungen drehen. Es geht um Ernährungssicherheit, um nachhaltige Methoden des Landbaus oder – wie hier in Cuzco – um die Auswertung von Arbeitserfahrungen mit dem Anbau verschiedener Grassorten zur Aufbesserung des Viehfutters.

Ich fühle mich in diesen Gruppen immer erst mal reichlich deplaziert – zum einen, weil mein Verständnis für landwirtschaftliche Themen doch recht begrenzt ist und zugegebenermaßen auch deshalb, weil meine Fähigkeit, eine große Leidenschaft für mehrstündige Diskussionen über die diversen Futtergräser zu entwickeln, ebenfalls begrenzt ist. Aber auch, weil ich als fast einzige Frau vor dieser Truppe von ausgewachsenen Mannsbildern stehe, weil ich so anders aussehe als alle anderen, weil ich so offensichtlich „fremd“ bin in dieser Welt und nicht zuletzt, weil ich mit meinem Job und meinem Auftreten vermutlich tausendundein Schemata in den Köpfen dieser Männer durchbreche....

Gestern und heute ging es um Erfahrungsauswertung – um die Analyse einer mehrjährigen Arbeitserfahrung und den Versuch, diese Erfahrung zu systematisieren und schließlich in eine Publikation zu fassen. Eine ziemliche Herausforderung für viele meiner Workshopteilnehmer, die zwar Profis im Bereich Landwirtschaft sind, aber häufig ihre Schwächen im analytischen Denken haben und sich schwer tun, komplexe Zusammenhänge zu ordnen, in eine Logik zu bringen und schließlich in einen Text zu gießen.

Trotzdem war es auch diesmal wieder eine spannende und letztlich sehr erfüllende Erfahrung. Wenn wir uns alle erst mal drauf eingestellt haben, dass es halt so ist, wie es ist, und wir unsere Verschiedenheiten mal hintenanstellen, wenn es uns gelingt, uns auf’s Thema des Workshops einzustellen und wir es schaffen, in einen horizontalen Dialog treten – dann wird’s plötzlich doch wieder ganz ähnlich wie bei Workshops in Deutschland. Erst mal ist da die Anwärmphase, wo man sich etwas misstrauisch beäugt und beschnuppert und auch für das Thema vielleicht noch nicht unbedingt Feuer gefangen hat. Dann die erste interessante Intervention – eine Gruppenarbeit, eine Diskussionsrunde, ein interessantes Input oder eine neue Methodik – und auf einmal sitzen doch alle im Boot und rudern fleißig in die gleiche Richtung. Es hat Spaß gemacht mit dieser Gruppe zusammen ein paar Schritte gemeinsam zu machen, mit und von ihnen zu lernen und vor allem: viel zusammen zu lachen, zu merken, wie die Barrieren zwischen den Kulturen in den zwei Tagen immer mehr verschwinden und das Vertrauen wächst.


Eine schöne Erfahrung – und ich denke mal wieder, dass es doch echt eine sehr spannende Arbeitsrealität ist, in die ich mich hier begeben habe. Nicht immer einfach – aber immer lerne ich Neues dazu – über meine Gegenüber, aber vor allem über mich!


 
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