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20.06.06

Bergbau in Peru: wie fehlende Partizipation zu sozialen Konflikten führt

Partizipation ist ein Schlagwort, das in der Entwicklungszusammenarbeit einen wichtigen Stellenwert hat. Partizipation bedeutet Beteiligung, und meist wird es verwendet im Kontext zivilgesellschaftlicher Beteiligung an politischen Entscheidungsprozessen. Doch wie sieht es eigentlich aus mit der Partizipation der Bevölkerung an wirtschaftlichen Entscheidungsprozessen? Inwiefern wird die Gesellschaft in den Ländern des Südens beteiligt an wirtschaftlichen Entscheidungen und Gewinnen und was passiert, wenn transnationale Unternehmen ihre Geschäfte ohne die Beteiligung der lokalen Bevölkerung machen?

In Cajamarca, im Norden Perus, operiert seit mehr als 15 Jahren die größte Goldmine Lateinamerikas. Ihr Name – Yanacocha – steht für die einen stellvertretend für das kontinuierliche Wirtschaftswachstum Perus in den letzten 5 Jahren, andere assoziieren ihn mit Vertreibung, Raubbau an der Natur und sozialen Konflikten.


Eine riesige Baggerschaufel frisst sich gierig in’s Erdreich, schaufelt mit jedem Griff gut eine Tonne Erde auf den bereitstehenden LKW. Fünf Baggerschaufeln fasst der LKW, also gut fünf Tonnen Erde. Nach zwei bis drei Minuten ist er beladen, fährt ab, nimmt die Erde mit, um sie fünf Kilometer weiter wieder ordentlich zu einem Berg aufzuschütten.
Unter diesem neuen Berg befindet sich eine Geomembrane, die Berg und darunterliegenden Grund voneinander trennt. Ist der neue Berg nach einigen Wochen fertig aufgeschüttet, wird er – vereinfacht gesagt – mit einer Lösung aus Zyanid und Wasser beträufelt. Die chemischen Substanzen binden den feinsten Goldstaub, der sich in dem Erdmaterial befindet, und schwemmen ihn über ein Drainagensystem in ein Auffangbecken. Von dort aus wird die goldhaltige Brühe weiter verarbeitet. Aus einer Tonne Erdreich werden auf diese Weise ca. 30 g Gold gewonnen – diese Menge reicht gerade mal für zwei schmale Eheringe.

Mehr als 250 Tonnen Gold wurden in Peru letztes Jahr produziert, davon fast die Hälfte in der Mine Yanacocha in Cajamarca. Die Gewinne sind enorm – gerade angesichts der derzeit horrend hohen Preise für Rohstoffe auf dem Weltmarkt fährt das kanadische Unternehmen Newmont Gold Corporation mit dem Goldbergbau in Peru schwindelerregende Gewinne ein. Im letzten Jahr dürfte der Gewinn bei etwa 1.5 Billionen USD gelegen haben.

Die Bevölkerung in Cajarmarca kann die gepanzerten Sicherheitsfahrzeuge, die das Gold abtransportieren, täglich durch die Straßen der Stadt fahren sehen. Während die einen froh sind über die Goldmine, weil sie dort einen Arbeitsplatz gefunden haben, gehen immer mehr Menschen inzwischen angesichts des krassen Zusammenpralls von goldglänzendem Reichtum und himmelschreiender Armut auf die Barrikaden. Viele Bauern in Cajamarca haben ihr Land vor Jahren für einen Spottpreis verkauft, gelockt von dem Versprechen des Unternehmens, dann in der Mine einen Arbeitsplatz zu finden und für ihre Kinder eine gute Schulausbildung zu bekommen. Letztlich haben sie nur eines erreicht: sie haben sich um ihre Lebensgrundlage gebracht und sind in die Armut gefallen. Die großen Versprechen auf eine goldene Zukunft hat das Unternehmen nie eingelöst.

Andere, die sich dem immer lauter werdenden Protest anschließen, fürchten, in naher Zukunft ihr Land zu verlieren, weil die Mine immer neue Flächen aufkauft, unterstützt vom peruanischen Staat, der nur die Deviseneinnahmen vor Augen hat, nicht aber die Bedürfnisse der Bevölkerung, die in Nachbarschaft oder gar in Konkurrenz mit der Mine lebt.

Die Bauern der Region haben über die Jahre ihre ganz eigenen Erfahrungen mit dem Unternehmen gemacht: da der Goldabbau enorme Mengen Wasser verschlingt, sicherte sich das Unternehmen nach und nach sämtliche Quellen und Wasserläufe und gräbt den Bauern somit im wahrsten Sinne des Wortes das Wasser ab. Für die Landwirtschaft ist das eine untragbare Situation. Hinzu kommt, dass ein großer Teil des Wassers, das die Mine verläßt, für landwirtschaftliche Zwecke nicht mehr genutzt werden kann, weil es zu stark verschmutzt ist. Dieser Umstand hat schon wiederholt zu Zusammenstößen zwischen Bauern und dem Unternehmen geführt.

Die sozialen Konflikte sind in der Region in den letzten Jahren ebenso kontinuierlich gewachsen wie die Gewinne des Bergbauunternehmens. Für Marco Arana von der Misereor-Partnerorganisation Grufides ist Partizipation deshalb ein wichtiges Schlagwort sowohl zur Beilegung der sozialen Konflikte als auch für eine nachhaltige Entwicklung der Region. Er wie auch andere Misereor-Partnerorganisationen, die sich in Peru zum Bergbaunetzwerk „Red Muqui“ zusammengeschlossen haben, fordern deshalb auch eine umfassende Beteiligung und Mitsprache der Bevölkerung an den strategischen Bergbauentscheidungen des Staates.

Die Partner von Misereor sehen eine solche Beteiligung der Bevölkerung als wesentliche Voraussetzung für ein friedliches Miteinander von Bergbauunternehmen und Bevölkerung. Nur durch Beteiligung der Bevölkerung können gemeinsam von Bergbauunternehmen, Staat und Bevölkerung auch nachhaltige Entwicklungsprozesse in der Bergbauregion in Gang gebracht werden. So lange aber die Bergbauunternehmen wie neue Kolonialherren nur die Ausbeutung der Bodenschätze sehen, ohne die Bevölkerung in ihre Wirtschaftstätigkeit einzubeziehen, wird es in Cajamarca weiter zu Konflikten und Zusammenstößen kommen.

Partizipation bei der Entscheidung über den Abbau von Gold oder anderen Mineralien in einer Region. In der Regel ist es derzeit so, dass die vom Abbau betroffene Bevölkerung meist erst dann von dem Bergbauprojekt erfährt, wenn das Unternehmen die Konzession für den Abbau bereits vom Staat unterzeichnet in der Tasche hat. Die Partner von Misereor fordern rechtzeitig eine angemessene und transparente Information der betroffenen Bevölkerung über geplante Bergbauvorhaben sowie die damit verbundenen Chancen und Risiken. Das peruanische Gesetz ordnet zwar an, dass die Bevölkerung einer Region in öffentlichen Anhörungen zu neuen Bergbauprojekten konsultiert werden muss. In der Praxis füllt das Bergbauunternehmen den Saal jedoch häufig allein mit seinen eigenen Wortführern und Sympathisanten – Kritiker werden ausgesperrt und ihre Stimme findet kein Gehör.

Partizipation der Bevölkerung und ihrer zivilgesellschaftlichen Vertreter an der Erstellung von Raumordnungsplänen für das Land und seine Regionen. Das Ziel solcher Raumordnungspläne ist es, auszuweisen, welchen potenziellen ökonomischen Nutzen und welchen ökologischen Wert eine bestimmte Region hat. Ein partizipativ erarbeiteter Raumordnungsplan ermöglicht es, andere, dem Bergbau alternative Nutzungsmöglichkeiten für eine Region zu identifizieren anstatt von vornherein den Bergbau und die damit verbundene Schaffung von Deviseneinnahmequellen zu priorisieren. Erst nach einer gründlichen Analyse der diversen Nutzungspotenziale sowie einer umfassenden und von unabhängiger Seite erstellten Umweltstudie sollte eine Entscheidung für oder gegen ein Bergbauprojekt fallen.

Partizipation beim Umweltmonitoring: in Peru obliegt die Umweltaufsicht dem jeweils zuständigen Ministerium - im Falle des Bergbaus also beim Bergbauministerium. Da der peruanische Staat aber gleichzeitig ein großes Interesse daran hat, den Investoren möglichst große Anreize zu bieten, im Lande zu investieren, wird das Umweltmonitoring vom Staat allzu häufig vernachlässigt oder ganz unter den Tisch fallen lassen. Die Partnerorganisationen von Misereor fordern daher, dass zivilgesellschaftliche Institutionen vom Staat in ihrer Monitoringrolle unterstützt werden, anstatt – wie dies bisher häufig der Fall ist – vom Staat dafür sabotiert und im schlimmsten Fall sogar denunziert zu werden.

Teilhabe der Bevölkerung an den in der Region geschöpften Werten: wenn enorme Gewinne in einer Region geschöpft werden, in der 53,2 % der Bevölkerung in Armut und fast 34 % der Bevölkerung in extremer Armut leben, dann muss dies schon fast zwangsläufig zu sozialen Konflikten führen. Erst wenn die Bevölkerung ausreichend an den geschöpften Gewinnen partizipiert, wird diese Situation sich verändern. Die Teilhabe an den geschöpften Gewinnen kann direkt erfolgen – das heißt über die Schaffung von Arbeitsplätzen für Menschen aus der Region. Oder sie kann indirekt erfolgen, das heißt über staatliche Investition der Einnahmen aus den Bergbauexporten in nachhaltige Sozialprogramme, Bildung, Gesundheit und Armutsbekämpfung.

Während die Bagger in Cajamarca sich weiter in die Landschaft graben, um der Erde das kostbare Gold zu entreißen, setzt Grufides sich weiter vehement dafür ein, dass die Menschen dieser Region ihren Anteil an den hier gewonnenen Reichtümern haben. Mit der Unterstützung von Misereor informieren sie die betroffenen Bauernfamilien vor Ort über geplante Ausweitungen des Bergbaus, über negative Umweltauswirkungen und ihre Möglichkeiten, sich zu diesen Problemen zu verhalten. Sie bieten Rechtsberatung und im Falle von Gerichtsverfahren auch eine juristische Begleitung. Grufides stärkt die Verhandlungskapazitäten der Bauern im Dialog mit Bergbauunternehmen und staatlichen Behörden und verteidigt die Menschenrechte der Bevölkerung.

Partizipation ist ein Schlüsselelement, um wirtschaftliche Aktivität nachhaltig zu gestalten. Dies gilt sicherlich nicht nur für Peru, Lateinamerika und die südliche Hemisphäre, sondern weltweit.

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