Wandern zwischen den Welten....

16.09.06

Quinta "Virgen del Carmen del Quinto Patio"

Donnerstag Morgen. An der Tür von Margarita Montfort klopft es. Ihre Nachbarin Nelly Galleardo steht vor der Tür. Sie hat einen Brief in der Hand, von der staatlichen Wohlfahrt. Die Beneficiencia, wie sie hier heisst, ist Eigentümer der Wohnungen, in denen Margarita und ihre Nachbarin wohnen.
„Wohnungen“ ist allerdings ein sehr beschönigender Ausdruck. Eigentlich handelt es sich vielmehr um Behausungen, man könnte auch „Hütten“ sagen: entlang einer schmalen, übel riechenden Gasse liegen rechts und links die aus einem, manchmal auch zwei Zimmern bestehenden Wohnungen. Quinta heißen diese Gassen hier in Lima. Der Putz bröckelt, die Balken sehen gefährlich morsch aus.
Die Zimmer sind vollgestopft mit Möbeln, Küchenutensilien, Fernseher, Klamotten. Es ist schwer, Ordnung zu halten, wenn 4 bis 6 Personen auf so engem Raum zusammen wohnen. 30 Familien wohnen in der Quinta, dieser baufälligen Wohnstraße in einem der ältesten Stadtteile von Lima, mehr als 150 Personen.

Margaritas Nachbarin wird mit dem Brief von der Beneficiencia zu einem Gesprächstermin zitiert. Worum es gehen soll, steht nicht in dem Brief. Nelly ist verunsichert. Wie soll sie reagieren? Was wird auf sie zukommen? Margarita rät ihr, den Termin auf jeden Fall wahrzunehmen, aber keinesfalls irgendwelche Dokumente zu unterschreiben. Für den Abend schlägt Margarita eine Versammlung vor. Es gibt mehrere Themen, die mit den Nachbarn zu besprechen sind.

Margarita ist eine der 5 gewählten Interessenvertreterinnen der Quinta Virgen del Carmen del Quinto Patio. Seit sie von CIDAP – einer Partnerorganisation von Misereor – in Rechtsfragen ausgebildet wurde, damit sie ihre Nachbarinnen und Nachbarn bei wohnrechtlichen Fragen unterstützen und beraten kann, klopft es häufig an ihre Tür. In ihrer Funktion als Promotora legal beruft sie regelmäßig Versammlungen in ihrer Quinta ein, um mit den Nachbarn über Probleme zu sprechen, die ihr gemeinsames Leben in der Quinta angehen. Sie alle sind Mieter der Beneficiencia, die in regelmäßigen Abständen mit Mieterhöhung droht, seit vielen Jahren jedoch keinen Sol in die Behausungen investiert hat, weshalb die Wohnverhältnisse hier von Jahr zu Jahr prekärer werden. Um den Schikaneversuchen der Beneficiencia nicht hilflos ausgeliefert zu sein, haben die Bewohner der Quinta sich nun in einem Verein zusammengeschlossen, ihre Satzung ausgearbeitet und ein Heft für die Versammlungsprotokolle angelegt. „Nur gemeinsam sind wir stark. Wir müssen uns organisiseren und zusammenhalten, sonst spielt die Beneficiencia uns gegeneinander aus und wir stehen irgendwann alle ohne Wohnung da!“ erklärt Margarita ihren Nachbarn, die eifrig mit dem Kopf nicken.

Auf der Tagesordnung für die heutige Versammlung steht das leidige Wasser- und Abwasserthema. Seit Jahren kämpfen die Bewohner der Quinta nun darum, dass in die verschiedenen Häuser Wasser- und Abwasserleitungen gelegt werden. Bis vor zwei Jahren teilten sich die Bewohner der Quinta einen einzigen Wasserhahn und einen Abwasserschacht. Der Wasserhahn funktioniert inzwischen schon lange nicht mehr, den hat die Beneficiencia abgestellt. Jetzt kaufen die Bewohner der Quinta ihr Wasser täglich an einem LKW. Die Qualität ist schlecht, der Preis hoch. Das Abwasserloch kollabiert regelmäßig und ist den großen Abwassermengen nicht gewachsen. Es gibt eine Toilette und eine Dusche, doch die meisten Bewohner ziehen es vor, ihre Verrichtungen in ihren Wohnungen vorzunehmen und das Brauchwasser und die Fäkalien dann in den Abwasserschacht zu schütten.

Mit der Hilfe von CIDAP wurden die Pläne für die sanitären Installationen in den Häusern erstellt und beim peruanischen Wasserversorger SEDAPAL eingereicht. Nach monatelangem Kampf mit den bürokratischen staatlichen Behörden scheint das Ziel nun in erreichbare Nähe zu rücken. Dies konnte nur erreicht werden, weil sich die Bewohner der Quinta geschlossen hinter das Projekt gestellt haben und unnachgiebig auf ihr Recht bestanden haben.

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