Stolpern zwischen den Welten
Ich liege im Bett, höre die bekannten Geräusche draußen auf der Straße, die Autoalarmanlagen, die Baustelle um die Ecke, den Lumpensammler auf seinem Lastenfahrrad mit der schräg tönenden Hupe.
In meinem Kopf tauchen ungeordnet verschiedene Bilder der letzten Wochen auf – da sind noch Fetzen aus London, Big Ben, die Themse, London Eye, die verrückten Briten, die bei der größten Kälte mit kurzer Hose und T-Shirt durch die Stadt joggen, Mütze, Handschuhe, MP3-Player im Ohr – schon bei ihrem Anblick fröstelt mich. Eine Szene aus einer Kneipe am Abend mit Freunden, Wein, Lachen, worüber haben wir eigentlich geredet??? Die Londoner U-Bahn mit ihren alten, tiefen Schächten und den labyrinthischen Gängen, ihr Geruch nach Metall und Bergwerk. „Mind the gap“..... Dann Schneechaos in Stuttgart, die durchwachte Nacht am Flughafen mit den regelmäßigen, mechanischen Ansagen zur aktuellen Wettersituation in Süddeutschland. Die bleierne Müdigkeit. Das surreale Gefühl, in einem Science-Fiction-Streifen gelandet zu sein, zwischen all den digitalen Bildschirmen, Starbuckskaffeebechern und chromblitzenden Geländern, im neonbeleuchteten Abflugterminal. Plötzlich Bilder von Jonas’ erstem Geburtstag, Familienfest, Kinderspielzeug, Schwarzwälderkirschtorte. Der Kaffeetisch, Blumenservietten, all die vertrauten Familienangehörigen, die so fremd sein können, in diesem Schauspiel mit dem Titel „harmonisches Familienfest“.... Dann, unvermittelt, ein Schwenk zu den vielen Sitzungen und Gesprächen bei Misereor, nüchterne Besprechungszimmer, Laptop, Flipchart. „Wer schreibt Protokoll???“ Freunde in Stuttgart, Freunde in Köln, Freunde im Allgäu. Begegnungen – alte Freunde, vertraute, über Jahre liebgewonnene Menschen. Dazwischen auch immer wieder neue Menschen. Ein Besuch in der Sauna, warmes Holz, Bergamotte-Aufguß, Eiswürfel auf dampfender Haut.....
Heimat in Weikersheim, in der Vorbachmühle, bei mir selbst sein, bei Menschen, die Heimat sind. Zukunftsvisionen, Möglichkeiten und Chancen, ein Durchspielen der Optionen für die Zeit nach Peru, dann, in einem Jahr, wenn die Zeit hier zu Ende geht.... Dann wieder aufbrechen, Bahnhöfe, ICE-Komfortzone, Zeitschriftenstände, der Spiegel-Jahresrückblick 2006. Weihnachten, Lichterglanz, Kinderkrippenspiel und das hilflose Ringen um das angemessene Gefühl. Das alles und Vieles mehr waren die letzten Wochen in Deutschland. Nun bin ich wieder da, in Lima, in meinem Zweitleben, 18 Flugstunden später, Sommer, meine Pflanzen haben unter meiner Abwesenheit gelitten... Filmriss-Stimmung.... Ich glaub, ich ruf’ jetzt doch mal ein paar Freunde an...
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