Wandern zwischen den Welten....

27.05.07

Kommunizieren zwischen den Kulturen

Wenn Deutsche und Peruaner gemeinsam ihr Kommunikationsverhalten analysieren und sich gegenseitig mit ihren Beobachtungen und Schlussfolgerungen konfrontieren, kann das sehr spannend sein. Endlich wird mal ein Teil dessen explizit formuliert, was die Kommunikation und das Verhalten implizit so stark beeinflusst. Dies zumindest war ein Ziel des interkulturellen Workshops, den ich vor kurzem in einem deutsch-peruanischen Moderatorenteam mitmodiert habe.

Anhand verschiedener Kommunikationsmodelle und -instrumente haben wir uns mit der Frage beschäftigt, was Deutsche und Peruaner in ihrem Weltbild und im Kommunikationsverhalten voneinander unterscheidet und wie das die Zusammenarbeit und das Zusammenleben beeinflusst. Im Folgenden ein paar Erkenntnisse:

Während die Deutschen sehr direkt sind und in Gesprächen ohne lange Umschweife zur Sache kommen, ist es für Peruaner wichtig, erst mal die Beziehung zu stärken und erst in zweiter Instanz zum Thema vorzustoßen. Eine deutsche Teilnehmerin berichtet, dass ihre peruanische Schwiegermutter sie lange Zeit für taktlos und ungehobelt hielt. Wenn sie ihre Schwiegermutter anrief, um zum Beispiel ein Rezept zu erfragen, dann tat sie das ohne große Umschweife, in einem etwa dreiminütigen Telefonat. So, wie Deutsche das eben tun. Heute fragt sie erst mal nach der Situation der Familie, der Gesundheit der Großmutter, dem kranken Hund und dem Wohlergehen des Wellensittichs, macht einen kurzen Schlenker zum Wetter und zur großpolitischen Lage und läßt etwa in der 19. Minute des Gesprächs nebenbei einfließen, dass sie gerne das leckere Rezept für Ají de Gallina hätte. So ist es richtig!! Die Beziehungsebene wird von Peruanern in allen Gesprächen viel ausführlicher bearbeitet als von uns Deutschen. Eine mögliche Erklärung ist, dass es in Peru längst nicht so viele Sicherheiten gibt wie in Deutschland. Das soziale Netz ist somit deshalb nicht nur für die emotionale Sicherheit wichtig, sondern dient auch als Arbeitslosenversicherung, Lebensversicherung, Unfallversicherung, Diebstahlversicherung und Krankenversicherung.

Wird in einer peruanischen Firma der Chef entlassen, verliert man wahrscheinlich auch selbst seinen Arbeitsplatz. Am deutlichsten ausgeprägt ist dieses Phänomen in staatlichen Institutionen - Regierungswechsel lösen demnach immer eine ganze Welle von Kündigungen und Neueinstellungen aus. Jobs werden an „eine Person des Vertrauens“ vergeben. Es handelt sich hier normalerweiser um einen Familienangehörigen, Freund oder guten Bekannter, der zwar nicht unbedingt optimal in fachlicher Hinsicht qualifiziert ist, der aber auf jeden Fall loyal ist, das persönliche Netzwerk stärkt und deshalb den Job bekommt.

Da das peruanische System viel mehr auf persönlichen Verbindungen beruht, geht man mit Kollegen und Mitmenschen auch wesentlich „vorsichtiger“ um, spricht Kritik nicht direkt aus und nutzt statt dessen, falls es gar nicht mehr anders geht, lieber einen indirekten Kanal, um seine Kritiik anzubringen. Während wir Deutschen es als aufrichtig empfinden, unsere Kritik direkt anzubringen, empfinden Peruaner das als impertinent und beleidigend. Um zu vermeiden, dass der andere sein Gesicht verliert, wählt man in Peru lieber einen indirekten Weg. Ein beliebter Mechanismus ist in diesem Zusammenhang, sich an einen guten Freund oder nahen Verwandten dessen zu wenden, der kritisiert werden soll, und dort eine entsprechende Bemerkung fallen zu lassen. Man kann sicher sein, dass diese gezielt platzierte Botschaft seinen Empfänger erreicht, und dass man selbst niemals ein direktes Wort über diese Angelegenheit verlieren muss.

Deutsche wirken auf Peruaner oft unkommunikativ und lösen damit Verunsicherung aus. „Warum redet der/die so wenig? Habe ich etwas falsch gemacht? Bin ich so ein uninteressanter Gesprächspartner? Wie kommt man an diese schweigsamen Deutschen ran? Was geht in deren Köpfen vor?“ Im Zweifelsfall wird diese mangelnde Kommunikation von Peruanern dann auch schon mal als Überheblichkeit ausgelegt.

Überhaupt werden Deutsche in Peru häufig als vermeintliche Besserwisser wahrgenommen – das mag mit unserer„unkommunikativen“ Art zusammenhängen oder mit der Tatsache, dass wir nicht lange um den heißen Brei herumreden und uns oft nur sehr „gezielt“ äußern. Vielleicht ist hier aber auch ein Minderwertigkeitskomplex im Spiel, der mit den Deutschen gar nicht so viel zu tun hat. Es verwundert jedenfalls nicht, dass unsere sehr direkte, klare und für peruanische Verhältnisse oft auch ungewöhnlich analytische Art als Besserwisserei rüberkommt. Nur beim Tanzen sind sich die Peruaner ganz sicher, dass wir ihnen nie das Wasser reichen werden können. Und sie haben Recht damit :-)

Im Gegensatz zu den Deutschen haben die Peruaner im Workshop viel mehr Hemmungen, uns ihre (Vor-)Urteile mitzuteilen. Während von den Deutschen auf Anhieb ganze Litanneien an positiven wie negativen Eigenschaften der Peruaner aufgelistet werden, tun sich die Peruaner viel schwerer damit, auch „harten Tobak“ auf’s Papier zu bringen. „Das können wir doch nicht aufschreiben, das ist zu brutal!“ kommt da schon mal als Einwand. Außerdem weiß man ja gar nicht so genau, ob die Deutschen, die man in Peru kennengelernt hat, wirklich „echte“ Deutsche sind. Unter viel Gelächter wird die Hypothese aufgestellt, dass die Deutschen, die in Peru leben, doch wahrscheinlich gar keine "richtigen" Deutschen sind. Wahrscheinlich haben die alle einen Knall und sind von ihren Landsleuten verstoßen worden. Und die armen Peruaner müssen das jetzt aushalten ;-)

Und dazu dann eine letzte, wichtige Erkenntnis: DIE DEUTSCHEN neigen dazu, so und so zu handeln. DIE PERUANER haben diese und jene Eigenschaft. Aber beide Gruppen bestehen aus Individuen, und längt nicht alle Individuen stimmen in ihren persönlichen Werten mit den kollektiven Werten ihrer jeweiligen Kultur überein. Und so trifft man also durchaus auch unkommunikative, individualistische oder kritikfähige Peruaner und auf der anderen Seite unpünktliche, unterhaltsame oder gut tanzende Deutsche. Es lebe die bunte Wirklichkeit jenseits aller Zuschreibungen und Clichés!!!

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