Wandern zwischen den Welten....

15.04.07

Wanderer zwischen den Welten

Wer sind wir, die wir zwischen den Welten wandern? Was verbindet uns? Was trennt uns? In erster Linie verbindet uns das Wandern zwischen den Welten. Dass wir Fremde sind, hier wie auch dort. Dass uns keiner so richtig versteht – wir uns selber zuweilen am allerwenigsten... Wir empfinden uns mitunter als leicht schizophren, weil wir hier Dinge bekriteln, die uns dann dort wieder fehlen, und umgekehrt... Sind wir in Peru, verstehen wir uns als Deutsche und legen allergrößten Wert auf Pünktlichkeit, Effizienz, Kritikfähigkeit und andere deutsche Eigenschaften. Sind wir in Deutschland, fühlen wir uns als Latinos und es zieht uns zu Salsa-Parties, Lesungen lateinamerikanischer Autoren und in peruanische Restaurants. Sind wir in Peru, geht uns so manches auf den Geist, was wir in Deutschland schmerzlich vermissen - das ständige Getöse und Gelärme, Gehupe und Gedrängel, die Musik an allen Orten, und immer plärrt irgendwo ein Fernseher im Hintergrund. In Deutschland finden wir's inzwischen fast schon beängstigend still und erleben eine Fahrt im ICE mit größtem inneren Staunen ob des konsequent durchgehaltenen Schweigens. Bei all diesen Widersprüchen drängt sich schon mal die Frage auf: Wo gehören wir denn nun eigentlich hin? Nach Deutschland? Nach Peru? Oder doch am ehesten in die Gemeinschaft der Heimatlosen, der Grenzgänger, der Arbeitsmigranten, der Wanderer zwischen den Welten?... in Deutschland kann ich mich inzwischen einer türkischen Migrantin näher fühlen als der deutschen Verkäuferin im Supermarkt. Weil die Migrantin etwas weiß, was nur die wissen, die aufgebrochen sind, möglicherweise erst mal ganz schön dumpf aufgeschlagen sind in der Fremde, sich hochgerappelt haben und irgendwann an dem Punkt waren, die Fremde als Teil ihrer Selbst zu empfinden, ohne jemals die nostalgische Sehnsucht nach der Heimat abzulegen...
Den Grad meiner eigenen Peruanisierung kann ich einerseits daran ermessen, wie wenig ich mich noch an peruanischen Gepflogenheiten störe, wie selbstverständlich und absolut alltäglich mir das Leben hier inzwischen vorkommt und wie problemlos ich mich hier einpassen kann. Da diese schleichende Anpassung sich nicht in Form von Widerstand und Reibung äußert, fällt sie mir in der Regel gar nicht mehr auf. Viel mehr fällt mir dagegen auf, wenn ich in Deutschland mit nur leichter Verspätung bei einer Verabredung eintrudle, man mir (wie ich es inzwischen empfinde) kühl die Hand herübereicht (statt mich wie in Peru mit herzlichem Geplauder und Küsschen auf die Wange zu begrüßen), man mir dann auch noch mit einem hämischen Blick auf die Armbanduhr bedeutet, dass ich zu spät bin und ich dann eine innere Stimme in spanisch flüstern höre „Qué fregados son estos alemanes....“ (in dem Fall zu übersetzen mit: meine Güte, diese Deutschen können aber auch echt elende Korintenkacker sein!) Bei dieser und unzähligen anderen kleinen Begebenheiten merke ich, dass mir „meine“ Kultur in einigen Dingen mitunter auch ganz schön fremd sein kann, dass ich mich von ihr entfernt habe und mich unbemerkt der anderen angenähert habe, dass ich bereits unzählige Eigenschaften übernommen habe, die jetzt irgendwie quer liegen zu "meiner" eigenen Kultur...
Wer einmal aufbricht, bleibt für immer fremd – überall. Außer natürlich in der stetig wachsenden Gemeinschaft derer, die ebenfalls aufgebrochen sind (vor alle im Geiste...), die selbst mal fremd geworden sind und deshalb nie mehr so zu ihrer Heimat stehen werden wie die, die nie weggegangen sind..

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