Wandern zwischen den Welten....

04.12.05

Taxi Talk

Ich steige in ein Taxi ein „Buenos Días“, grüße ich freundlich.
„Buenos Días“ erwidert der Taxifahrer und fährt los.
Ich verstaue meinen Rucksack unter meinen Beinen (eine Maßnahme, die sich empfiehlt, um zu verhindern, dass an der nächsten Kreuzung jemand die Tasche aus dem Wagen klaut) und mache es mir bequem.
Der Taxifahrer schaut in den Rückspiegel, sucht meinen Blick: „Sie sind keine Peruanerin," konstatiert er.
„Nein“ – stimme ich ihm zu.
Schweigen.
Dann ein erneuter Anlauf: „Aus den USA?“
„Nein, ich bin Deutsche“.
„Aahh! Deutsche!!“ sagt der Taxifahrer bedeutungsvoll, und ich weiß nicht so recht, was ich aus dieser Bemerkung schließen soll.
„Seit wann in Peru?“
„Seit 9 Monaten.“
„Aahh – neun Monate erst. Seit kurzem!“
„Ja“
„Aber Sie sprechen gut spanisch“
„Danke. Es geht so“
„Haben Sie schon in Deutschland spanisch gelernt“
„Ja, in der Schule und an der Uni.“
„Aahh ja, wie gut.“
Pause
Nächster Anlauf: „Gefällt Dir Peru?“ (man bemerke den nahtlosen Übergang zum Du).
„Ja. Ein spannendes Land.“
„Was gefällt Dir am meisten?“
„Ich weiß nicht genau. Die Leute. Die Landschaften. Eine andere Kultur.“
„Und das Essen???“
„Sehr lecker", sage ich artig und grinse heimlich in mich hinein, denn icn weiß schon, was als nächstes kommt: „Cebiche?????“1 fragt der Taxista dann auch prompt, und die fünf Fragezeichen in seiner Stimme deuten an, dass wir jetzt an einem kritischen Punkt der Konversation angekommen sind.
„Ja, mag ich sehr gerne“, antworte ich brav - auch wenn ich von zu viel Cebiche Bauchschmerzen kriege und gekochten Fisch der rohen Variante vorziehe, aber das muss ich dem Taxifahrer ja nicht im Detail auf die Nase binden.
„Gut! Das freut mich!“ atmet der Taxifahrer erleichtert auf.
Damit habe ich den Test offenbar bestanden und die Befragung geht nun in die zweite Runde: „Warst Du schon in Machu Picchu?“
„Ja, vor 11 Jahren. In diesem Jahr noch nicht.“
„Ach, wie schade. Du musst unbedingt gehen, es ist beeindruckend. Ich war aber selbst auch noch nicht da. Die Touristen fahren alle hin. Aus der ganzen Welt. Und nach Cuzco. Kennst Du Cuzco?“
„Ja, ich bin sogar relativ oft in Cuzco, wegen meiner Arbeit.“
„Ach so, Du reist viel durch’s Land? Was machst Du?“
„Ich arbeite für die Katholische Kirche“ sage ich, und mache nun meinerseits eine bedeutungsvolle Pause. Die Katholische Kirche hat nach wie vor ein relativ gutes Standing in der Gesellschaft. Sie gilt als eine der wenigen glaubwürdigen Institutionen hier im Land – wenngleich sie innerlich gespalten ist und es diverse sehr dunkle Kapitel in ihrer peruanischen Geschichte gibt. „Soziale Projekte“ füge ich dann hinzu. „Entwicklungszusammenarbeit.“
„Aahh ja, in Peru gibt es viel Armut.“
„Ja, das stimmt“ Das Berufsthema haben wir damit auch abgearbeitet und die dritte Befragungsrunde bezieht sich dann auf meine private Lebenssituation.
„Bist Du verheiratet? Ledig?“
„Verheiratet“ sage ich, obwohl es nicht stimmt.
„Kinder?“
„Ja, zwei Kinder“ schwindle ich weiter, denn alle meine anfänglichen Versuche, den Taxifahrern beizubiegen, dass ich alleine lebe und keine Kinder habe, endeten damit, dass der Taxifahrer ganz erschüttert war über so ein trauriges Leben und ich sein Weltbild wieder gerade rücken musste, was nicht so leicht ist, wenn man schon mal gesagt hat, dass man ledig und kinderlos ist...
„Das ist gut“, stellt er dann auch zufrieden fest.
„Ja“ sage ich, und belasse es dabei.
„Wie lange bleibst Du noch in Peru?“
„Zwei Jahre“, sage ich.
„Aahh, ja, zwei Jahre. Lange,“ sagt der Taxifahrer, während ich ihm bedeute, dass wir am Ziel angekommen sind und er mich an der nächsten Ecke rauslassen soll.
„Ich wünsch’ Dir viel Glück. Pass gut auf Dich auf, es gibt viele Gauner hier in Lima.“
„Ja, mach’ ich. Pass’ auch auf Dich auf“ gebe ich zurück.
„Hasta luego!“
„Ciao,“ sage ich, lasse die Autotür hinter mir zufallen und gehe schmunzelnd meines Weges.
Wie oft habe ich dieses Gespräch mit fast identischem Wortlaut schon geführt? Hundert Mal? Zweihundert Mal? Eine Taxifahrer-Prüfung gibt es ja nicht in Peru, weshalb auch kaum einer der Taxifahrer die grundregeln des Verkehrs beherrscht und noch weniger Taxifahrer sich dafür zuständig fühlen, die Fahrstrecke zum Ziel zu kennen. Aber manchmal beschleicht mich das Gefühl, dass es da doch irgendeine heimliche Institution gibt, die Konversationskurse für Taxifahrer anbietet. Wie sonst ist zu erklären, dass so viele Taxigespräche dem immer gleichen Muster folgen????
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[1] Cebiche ist eine peruanische Spezialität aus rohem Fisch, der in eine Marinade aus Essig und Zitronensaft eingelegt wird, gewürzt mit Koriander, Chili und Zwiebeln. Wer Cebiche mag, hat die wichtigste Hürde auf dem Weg zur Integration in die peruanische Gesellschaft überwunden.


 
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