Wandern zwischen den Welten....

03.12.05

„No te preocupes“ – oder: „Don’t worry, be happy!“

Ich frage eine Freundin, ob sie schon die Bustickets für unsere gemeinsame Reise nach Puno gekauft habe, und sie antwortet mir lässig „No te preocupes“. Ich kaufe ein Telefon, der Verkäufer taucht für endlose Zeiten im Lager ab und auf meine schüchterne Frage, ob er denn heute noch mit dem Telefon wiederkomme, wirft mir seine Kollegin ein lässiges „No te preocupes“ entgegen. Wir stehen mal wieder im Stau in Lima, ich frage den Taxifahrer nervös, wie lange wir wohl noch zum Flughafen brauchen, und er antwortet lakonisch „No te preocupes“. Ich frage meine Kollegen, ob sie einen Overheadprojektor für den Workshop besorgt haben, und sie antworten mir eifrig „No te preocupes“. Ich sitze im Bus, die Frau neben mir wirft ihren Plastikmüll zum Fenster raus. Ich sage ihr, dass ich das gar nicht gut finde, dass das die Landschaft verschandelt und dass sie ihren Müll doch bitte in einen Abfalleimer werfen soll, und sie klopft mir freundschaftlich-mütterlich auf die Schultern und sagt „No te preocupes“.

Ja, ein wirklich vielseitig einsetzbarer Satz. Ein richtiges Multitalent, quasi: „No te preocupes“! Im Deutschen gibt es dafür ebenso vielfältige Übersetzungen, von „kein Problem“, „Take it easy“, „mach’ dich mal locker“, über „mach’ Dir keinen Kopf“, „kein Grund zur Sorge“ bis hin zu „das wird schon wieder“ oder „jetzt mach’ aber mal halblang“ deckt dieser Satz ein breites Spektrum an Einsatzmöglichkeiten ab. Ganz wörtlich übersetzt, heißt es eigentlich „sorge Dich nicht im voraus“. Leicht gesagt – schwer getan. Hier schlägt die interkulturelle Falle voll zu! Während die Peruaner nämlich Spezialisten darin sind, sich weder im voraus noch sonst im nachhinein wirklich den Kopf über all diese ach so wichtigen Fragen zu zerbrechen, bin ich mit meiner guten, deutschen Kultur darauf getrimmt, alles schon Wochen und Monate im voraus zu planen, zu durchdenken, jede mögliche Schwierigkeit vorwegzunehmen und präventive Maßnahmen zu planen.
„No te preocupes“ – wenn Ihr wüßtet, was Ihr mir damit abverlangt!!! Mich im voraus zu sorgen, ist quasi eine meiner Kernkompetenzen! Ich wurde auf diese Stelle gesetzt, weil ich eine Planungs-und somit eine regelrechte Sorgenexpertin bin. Ich habe gelernt, ein Projekt nicht einfach nur so vor sich hinplätschern zu lassen, sondern es gezielt und gekonnt zu managen – ständig den sorgenvollen Blick auf alle geplanten Aktivitäten und Projektziele gerichtet, mögliche Hindernisse kritisch beobachtend, den Cash Flow überwachend und den Kommunikationsfluss steuernd. Ich bin quasi ausgebildete Sorgenvermeiderin und den aufmerksamen Blick auf mögliche Probleme, eventuell kritische Momente und sich anbahnende Hindernisse kann ich mir so wenig verkneifen wie den genervten Blick auf die Uhr, wenn meine Workshop-Teilnehmer mal wieder mit zwei- bis dreistündiger Verspätung einlaufen.
Ich würde mich ja wirklich herzlich gerne der peruanischen Gelassenheit anschließen. Sie macht das Leben definitv einfacher, und ist für dieses Land wahrscheinlich sogar ein unerläßlicher Überlebensmechanismus!

Leider muss ich sagen, dass ich inzwischen gelernt habe, diesem Aufruf zur Sorglosigkeit auf’s Tiefste zu mißtrauen! In 99 % der Fälle ist dieser Satz nämlich geradezu ein Indikator dafür, dass irgendwas nicht stimmt, und dass es durchaus ernsthaften Anlass zur Sorge gbit, Je schneller mir mein Gegenüber auf eine harmlose Anfrage ein „No te preocupes“ entgegenschleudert, um so misstrauischer werde ich inzwischen. Meine peruanische Freundin hatte die Bustickets nämlich nicht rechtzeitig besorgt, und so konnten wir erst am übernächsten Tag losfahren. Das Telefon war nicht mehr auf Lager und der Verkäufer mochte mir das nicht sagen, weshalb er einfach nicht mehr wieder auftauchte. Meine Kollegen hatten den Overheadprojektor vergessen und waren dann im Hintergrund hektisch damit beschäftigt, ein Ersatzgerät aufzutreiben. Waren sie also doch berechtigt, meine sorgenvollen Fragen! Hatte ich mal wieder recht! Blöd nur, dass ich auch die einzige bin, die sich über verbaselte Chancen aufregt! Die Peruaner bleiben sich treu, sie sorgen sich weder vorher noch nachher. „No te peocupes“! Für mich müssten sie wohl auch noch ein „No te post-procupes“ erfinden....

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