Wandern zwischen den Welten....

25.09.06

Gold ist Gold und Job ist Job

Seit Monaten schon treibt mich nun das Bergbauthema um, beschäftigt mich, sei es mit unseren Partnerorganisationen hier in Peru, in der Kooperation mit Journalisten aus Deutschland, auf Konferenzen und öffentlichen Anhörungen, beim Katholikentag in Saarbrücken oder bei Gesprächen mit Parlamentariern in Berlin und Brüssel. Meine Freunde haben sich schon dran gewöhnt, dass ich bei jeder Gelegenheit wieder mit diesem Thema daherkomme und stellen sich erstaunlicherweise auch immer wieder geduldig als Diskussionspartner zur Verfügung. Gerade weil das Thema so komplex ist und man sich selbst als fast-schon-Expertin schwer ein objektives Bild davon machen kann, fordert es mich immer wieder neu heraus.

Fast täglich kann man in der Zeitung von den diversen Konflikten in den zahlreichen Bergbaugebieten Perus lesen und bei meinen Besuchen vor Ort bin ich Zeugin dieser massiven Konflikte geworden. Ich muss zugeben, dass meine Sichtweise deutlich geprägt ist von der Perspektive derer, die unter den Folgen des Bergbaus zu leiden haben – Bauern, die ihr Land für einen Spottpreis verkauft haben, deren Wasserquellen verschmutzt oder versiegt sind, deren Tiere krank sind. Umweltaktivisten, die sich für den Erhalt des Nebelwaldes einsetzen oder Priester, die die Schöpfung Gottes bedroht sehen.

Als mein treuer Taxifahrer Victor, der mich hier fast täglich im verrückten limeñischen Verkehr herumkutschiert, mir letzte Woche freudestrahlend erzählte, dass er höchstwahrscheinlich eine feste Stelle in Aussicht habe, habe ich mich natürlich für ihn gefreut! Das Vorstellungsgespräch war am Mittwoch. Am Donnerstag hatte er eine 80%ige Zusage. Am Freitag kamen auch die restlichen 20% noch dazu. Und am Samstag (!!!) musste er seinen neuen Arbeitsplatz in Trujillo antreten, ca. 800 km im Norden von Lima, als Supervisor bei einem Bergbauunternehmen. Schluck...!!! Ich habe ehrlich versucht, mich immer noch für ihn zu freuen.. aber irgendwie hat mich das schon auch ganz schön hart getroffen, meinen treuen Victor an ein BERGBAUUNTERNEHMEN zu verlieren! Ausgerechnet!! Wie soll ich denn da mein Feindbild konsequent aufrecht erhalten, wenn die jetzt meinem!!! Victor einen Job anbieten? Mein (!!!) Victor, den ich fast zu jeder Tages- und Nachtzeit anrufen konnte und der mich immer sicher an’s Ziel gebracht hat, ohne mich zu fragen, ob ich Ceviche mag oder schon in Machu Picchu war.

Muss er denn ausgerechnet bei einem Bergbauunternehmen (!!!!) eine Arbeit finden??? Und dann so plötzlich! Quasi über Nacht verschwindet nun dieser Mensch aus meinem Leben, mit dem ich täglich mindestens eine Stunde in friedlicher Eintracht in seinem klappernden Auto verbracht habe, der spürte, wenn ich traurig war und sich mit mir freute, wenn es mir gut ging, der Freud’ und Leid mit mir geteilt hat, der mir in seiner diskreten Art so verbunden war. Schwupp – weg ist er. Heute noch Taxifahrer. Morgen schon Supervisor bei einer Mine. Weg von seiner Familie, weg von Lima, weg von seinem bisherigen Leben – und damit leider auch meinem :-(

Jetzt arbeitet er also In Trujillo, im äußersten Norden von Peru, fast schon in Ecuador. Und das alles empfindet er nicht als Katastrophe, sondern als einen Segen. Was mache ich jetzt mit meinem „Feindbild Bergbauunternehmen“?? Wie integriere ich diesen Hammer in mein Weltbild? Ich weiß schon: ab jetzt sind 99% aller Bergbauunternehmen in Peru zu verurteilen, weil sie die Landschaft verschandeln, die Rechte der Bauern missachten, die Gewinne exportieren und sich einen Dreck um die Umwelt scheren. Und 1% aller Bergbauunternehmen fällt eben raus aus dieser Kritik, weil es meinem Lieblingstaxifahrer einen Arbeitsplatz beschert hat, den er schon lange dringend braucht! ...weil er nämlich mit dem, was er durch mich und meine läppischen 3-5 Taxifahrten pro Tag verdient schwerlich seine Familie ernähren kann. Wie? So kann man nicht argumentieren? Das ist nicht logisch? Eben!!! Sag' ich doch. Es ist einfach ein Kreuz mit den Bergbauunternehmen hier in Peru!!


 
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