Wandern zwischen den Welten....

19.08.07

Klimawandel - kein Horrorszenario für die Zukunft, sondern reale Gegenwart

„Schau, ich lebe jetzt seit mehr als 50 Jahren hier in der Region Cusco, und ich kann nur sagen: Der Klimawandel ist längst Realität!“ Rubén Ocampo, Leiter der Misereor-Partnerorganisation ARARIWA, macht das an drei Beispielen fest: „Diese Hitze, die wir jetzt, in den eigentlich doch kühlen Wintermonaten, um die Mittagszeit hier in Cusco haben, das ist doch nicht normal! Das hat es früher nicht gegeben. Und wenn du in’s Urubamba-Tal fährst, dann schau’ dir mal die Berge dort an! Wo früher schneebedeckte Gipfel waren, sind heute nur noch kahle Felsen zu sehen! Die Schneegrenze reichte früher in den Wintermonaten bis runter ins Tal, heute sind nicht mal mehr die Kuppen der Berge mit Schnee bedeckt! Die Gletscher schwinden unaufhaltsam, in ein paar Jahren werden sie gänzlich verschwunden sein. Und damit kommen wir zum dritten Anzeichen für den Klimawandel: die versiegenden Wasserquellen. Die Bauern, mit denen wir in den Dorfgemeinschaften Ausbildungskurse in nachhaltiger ländlicher Entwicklung machen, erzählen uns, dass die Quellen und Flüsse immer weniger Wasser führen. Die Lagune Piuray zum Beispiel, die die Provinzhauptstadt Cusco mit Wasser versorgt, ist in den letzten 35 Jahren um ein Drittel geschrumpft,“ sagt Ruben, und deutet zum Beweis auf die vergleichenden Fotos von 1972 und 2006.Eine wachsende Bevölkerung und somit mehr Nachfrage nach Wasser, Boden und Nahrungsmitteln stehen einer dramatischen Wasserverknappung, Bodenerosion und ausfallenden Ernten gegenüber.

Auch den massiven Kälteeinbruch, den das peruanische Andenhochland in den Monaten von Juni bis August erfahren hat, führt Rubén Ocampo auf den Klimawandel zurück. „Hitzeperioden wechseln sich mit dramatischen Kälteeinbrüchen ab. Das Wetter ist viel extremer geworden in den letzten 20 Jahren.“

„Die Leidtragenden des Klimawandels sind vor allem die Armen,“ führt Ruben Ocampo aus. „Hitze und Kälte treffen sie besonders hart. Bisher konnten die Bauern mittels künstlicher Bewässerung auch in der regenfreien Zeit eine zweite, kleine Ernte einbringen. Heute, mit der zunehmenden Wasserknappheit, wird die künstliche Bewässerung immer schwieriger, und die zweite Ernte entfällt. Konflikte um das Wasser sind vorprogrammiert, irgendwann werden nur noch die Zugriff auf Wasser haben, die viel Geld dafür bezahlen können.“

Auch in Piura, im Norden Perus, bereitet der Klimawandel Sorgen. Die Misereor Partnerorganisation Diaconía para la Justicia y la Paz lädt zu einer Veranstaltung mit dem Titel „Der Klimawandel und seine Auswirkungen für unsere Region“ ein. Im Publikum sitzen neben Vertretern von Regierungsbehörden, Bauern und Produzentengemeinschaften auch Schüler und Studenten. Die Aktualität des Themas lockt immer mehr Menschen in den bereits zum Bersten gefüllten Raum. Der Tenor der Vorträge und Debatten ist auch hier: der Klimawandel ist längst Realität, nur leider sind wir in keinster Weise darauf vorbereitet!

Ein Beispiel: Der Norden Perus ist innerhalb von nur 15 Jahren von zwei katastrophalen El-Niño-Phänomenen heimgesucht worden: das erste 1982/83, das zweite 1997/98. Dabei tritt das Niño-Phänomen laut Statikstik nur alle 50-100 Jahre auf. Aufgrund einer außergewöhnlichen Erwärmung der Meeresströme vor der Küste Perus kommt es dann zu starken Regenfällen und in der Folge zu heftigen Überschwemmungen. Während des Niño-Phänomens multipliziert sich die Niederschlagsmenge um ein 10-50faches des normalen Niederschlags. Erdrutsche und Bodenerosion sind die Folge. Häufig brechen aufgrund des stark verunreinigten Wassers Seuchen und Epidemien aus.

Durch die weltweit ansteigenden Temperaturen werden die Abstände zwischen den Niño-Phänomenen in Peru sehr viel kürzer. Überschwemmungen und Dürren sind jeweils deutlich stärker ausgeprägt.

Die Verfügbarkeit von Wasser, im trockenen Wüstenstreifen der peruanischen Küste schon von jeher ein knappes Gut, steigt durch die globale Erwärmung zunächst trügerischerweise an, weil die Gletscher mit rasender Geschwindigkeit abschmelzen. 22% der gesamten Gletscheroberfläche sind in den letzten 35 Jahren bereits abgeschmlozen. Die bislang verlorene Wassermenge entspricht dem Wasserverbrauch der 9-Millionen-Stadt Lima von 10 Jahren.

Nach aktuellen Berechnungen werden die peruanischen Gletscher unterhalb von 5.000 m. ü. NN bis zum Jahr 2015 vollständig abgeschmolzen sein. Dann wird es zu einer dramatischen Wasserverknappung an der peruanischen Küste kommen. Dort lebt ein Großteil der Peruaner - allein in der Hauptstadt Lima ein Drittel der Gesamtbevölkerung Perus – sowie in weiteren Städten entlang der Küste: Chiclayo, Chimbote, Trujillo, Tumbes.

Die Problemanalyse ist – wenngleich alles andere als vollständig – so doch ausreichend, um ein erschreckendes Bild für die Zukunft heraufzubeschwören. Doch wie kommt man von der niederschmetternden Analyse zu konstruktiven Vorschlägen, wie dem Klimawandel entgegengewirkt werden kann? Wie kommt man zu kohärenten regionalen und nationalen Politiken und Praktiken, die das Thema anpacken? Wie kann Peru seine zu fast 50% in Armut lebende Bevölkerung vor den Auswirkungen des Klimawandels schützen?

Für Ruben Ocampo von ARARIWA besteht ein erster, wichtiger Schritt im Bereich Aufklärung, Sensibilisierung und Bewußtseinsbildung. „Wir müssen den Leuten klar machen, dass Umweltschutz kein Luxus ist, sondern unser aller Lebensbedingungen maßgeblich beeinflusst.“ Er fordert, dass Umwelt- und Klimaschutz auf die politische Agenda gesetzt und als Querschnittsthemen in allen Sektoren verankert werden. Lokale, regionale und nationale Regierungen müssen in die Verantwortung genommen werden. Zivilgesellschaftliche Akteure müssen zur Aufklärung beitragen, müssen Druck auf die Entscheidungsträger ausüben und gemeinsam mit den staatlichen Akteuren Lösungsstrategien erarbeiten.

Dahin ist es in Peru noch ein langer Weg. Obwohl es auf dem Papier erste Vorschläge für nationale und regionale Strategien zur Anpassung an den Klimawandel gibt, scheitert die Umsetzung vor allem am fehlenden politischen Willen. Was die Ursachen des Klimawandels angeht, so trägt Peru durch seine rapide Abholzung der Regenwälder beträchtlich zum Klimawandel bei, obwohl das Land keine großen Industrien besitzt und im Emissionsbereich eher ein zu vernachlässigender Akteur ist. Doch die Abholzung des Regenwalds beschert Peru ein sehr schlechtes Klimazeugnis. Auch hier gestaltet sich die Suche nach praktikablen Lösungen schwierig. Trotzdem betont Rubén Ocampo: „Wir dürfen uns nicht von der Ohnmacht niederdrücken lassen, sondern müssen Schritt für Schritt auf die Lösung zuarbeiten. Das tun wir schon, wenn wir uns für nachhaltiges Umwelt- und Wassermanagement einsetzen, wenn wir mit Hilfe von Misereor und anderen Hilfswerken Aufforstungsprogramme durchführen und ökologische Anbaumethoden fördern, wenn wir Bodenschutzprogramme und Projekte zur Ernährungssicherung implementieren. Es gibt aber noch Vieles, was wir bisher nicht anpacken – zum Beispiel Praktiken zur Regenwassernutzung, wassersparende Bewässerungsmethoden, die Anpassung der Anbauprodukte an die neuen klimatischen Gegebenheiten usw. Wir müssen die Regierungen dazu kriegen, dem Thema eine hohe Priorität einzuräumen. Themen wie Armutsbekämpfung und Ernährungssicherung können nicht unabhängig vom Klimawandel debattiert werden. Dazu brauchen wir starke Alliierte und die Hilfe von Partnern im In- und Ausland, wie z.B. die Unterstützung von Misereor.“


 
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