Klimawandel - kein Horrorszenario für die Zukunft, sondern reale Gegenwart
„Die Leidtragenden des Klimawandels sind vor allem die Armen,“ führt Ruben Ocampo aus. „Hitze und Kälte treffen sie besonders hart. Bisher konnten die Bauern mittels künstlicher Bewässerung auch in der regenfreien Zeit eine zweite, kleine Ernte einbringen. Heute, mit der zunehmenden Wasserknappheit, wird die künstliche Bewässerung immer schwieriger, und die zweite Ernte entfällt. Konflikte um das Wasser sind vorprogrammiert, irgendwann werden nur noch die Zugriff auf Wasser haben, die viel Geld dafür bezahlen können.“
Auch in Piura, im Norden Perus, bereitet der Klimawandel Sorgen. Die Misereor Partnerorganisation Diaconía para la Justicia y la Paz lädt zu einer Veranstaltung mit dem Titel „Der Klimawandel und seine Auswirkungen für unsere Region“ ein. Im Publikum sitzen neben Vertretern von Regierungsbehörden, Bauern und Produzentengemeinschaften auch Schüler und Studenten. Die Aktualität des Themas lockt immer mehr Menschen in den bereits zum Bersten gefüllten Raum. Der Tenor der Vorträge und Debatten ist auch hier: der Klimawandel ist längst Realität, nur leider sind wir in keinster Weise darauf vorbereitet!
Ein Beispiel: Der Norden Perus ist innerhalb von nur 15 Jahren von zwei katastrophalen El-Niño-Phänomenen heimgesucht worden: das erste 1982/83, das zweite 1997/98. Dabei tritt das Niño-Phänomen laut Statikstik nur alle 50-100 Jahre auf. Aufgrund einer außergewöhnlichen Erwärmung der Meeresströme vor der Küste Perus kommt es dann zu starken Regenfällen und in der Folge zu heftigen Überschwemmungen. Während des Niño-Phänomens multipliziert sich die Niederschlagsmenge um ein 10-50faches des normalen Niederschlags. Erdrutsche und Bodenerosion sind die Folge. Häufig brechen aufgrund des stark verunreinigten Wassers Seuchen und Epidemien aus.
Durch die weltweit ansteigenden Temperaturen werden die Abstände zwischen den Niño-Phänomenen in Peru sehr viel kürzer. Überschwemmungen und Dürren sind jeweils deutlich stärker ausgeprägt.
Die Verfügbarkeit von Wasser, im trockenen Wüstenstreifen der peruanischen Küste schon von jeher ein knappes Gut, steigt durch die globale Erwärmung zunächst trügerischerweise an, weil die Gletscher mit rasender Geschwindigkeit abschmelzen. 22% der gesamten Gletscheroberfläche sind in den letzten 35 Jahren bereits abgeschmlozen. Die bislang verlorene Wassermenge entspricht dem Wasserverbrauch der 9-Millionen-Stadt Lima von 10 Jahren.
Nach aktuellen Berechnungen werden die peruanischen Gletscher unterhalb von 5.000 m. ü. NN bis zum Jahr 2015 vollständig abgeschmolzen sein. Dann wird es zu einer dramatischen Wasserverknappung an der peruanischen Küste kommen. Dort lebt ein Großteil der Peruaner - allein in der Hauptstadt Lima ein Drittel der Gesamtbevölkerung Perus – sowie in weiteren Städten entlang der Küste: Chiclayo, Chimbote, Trujillo, Tumbes.
Die Problemanalyse ist – wenngleich alles andere als vollständig – so doch ausreichend, um ein erschreckendes Bild für die Zukunft heraufzubeschwören. Doch wie kommt man von der niederschmetternden Analyse zu konstruktiven Vorschlägen, wie dem Klimawandel entgegengewirkt werden kann? Wie kommt man zu kohärenten regionalen und nationalen Politiken und Praktiken, die das Thema anpacken? Wie kann Peru seine zu fast 50% in Armut lebende Bevölkerung vor den Auswirkungen des Klimawandels schützen?
Für Ruben Ocampo von
Dahin ist es in Peru noch ein langer Weg. Obwohl es auf dem Papier erste Vorschläge für nationale und regionale Strategien zur Anpassung an den Klimawandel gibt, scheitert die Umsetzung vor allem am fehlenden politischen Willen. Was die Ursachen des Klimawandels angeht, so trägt Peru durch seine rapide Abholzung der Regenwälder beträchtlich zum Klimawandel bei, obwohl das Land keine großen Industrien besitzt und im Emissionsbereich eher ein zu vernachlässigender Akteur ist. Doch die Abholzung des Regenwalds beschert Peru ein sehr schlechtes Klimazeugnis. Auch hier gestaltet sich die Suche nach praktikablen Lösungen schwierig. Trotzdem betont Rubén Ocampo: „Wir dürfen uns nicht von der Ohnmacht niederdrücken lassen, sondern müssen Schritt für Schritt auf die Lösung zuarbeiten. Das tun wir schon, wenn wir uns für nachhaltiges Umwelt- und Wassermanagement einsetzen, wenn wir mit Hilfe von Misereor und anderen Hilfswerken Aufforstungsprogramme durchführen und ökologische Anbaumethoden fördern, wenn wir Bodenschutzprogramme und Projekte zur Ernährungssicherung implementieren. Es gibt aber noch Vieles, was wir bisher nicht anpacken – zum Beispiel Praktiken zur Regenwassernutzung, wassersparende Bewässerungsmethoden, die Anpassung der Anbauprodukte an die neuen klimatischen Gegebenheiten usw. Wir müssen die Regierungen dazu kriegen, dem Thema eine hohe Priorität einzuräumen. Themen wie Armutsbekämpfung und Ernährungssicherung können nicht unabhängig vom Klimawandel debattiert werden. Dazu brauchen wir starke Alliierte und die Hilfe von Partnern im In- und Ausland, wie z.B. die Unterstützung von Misereor.“