Wandern zwischen den Welten....

13.06.07

Klimawandel in aller Munde...

In der Tür des Versammlungssaals der Stadtverwaltung von Piura drängen sich dicht an dicht die Menschen, dunkelhaarige Köpfe blicken Richtung Podium. Aus dem Saal dringt die Stimme des Referenten. Ich bahne mir einen Weg durch die Menge, hinein in den Saal, der bis auf den letzten Sitzplatz voll belegt ist. An die Wände gelehnt stehen Männer, Frauen, Kinder in ihren Schuluniformen. Das Thema der Veranstaltung, die so viele Menschen anzieht, lautet „Der Klimawandel und seine Auswirkungen auf unsere Region“. Mit so einem regen Besucherstrom hatte die Diakonie für Gerechtigkeit und Frieden, eine Einrichtung der katholischen Kirche in Piura und Partnerorganisation von Misereor, nicht gerechnet. Ich finde ein Plätzchen an der Wand, von wo aus ich halbwegs freie Sicht auf die Leinwand habe, auf der Ing. Gustavo Cajusol, Vertreter der unabhängigen Behörde für Wassermanagement Chira Piura gerade seinen Vortrag visualisiert:

Die Auswirkungen des Klimawandels sind in der Region Piura keine Zukunftsmusik: Innerhalb von nur 15 Jahren gab es zwei katastrophale El-Niño-Phänomene: das erste 1982/83 und das zweite 1997/98. El Niño tritt in den peruanischen Sommermonaten zwischen Dezember und März auf und bedeutet, dass es aufgrund einer außergewöhnlichen Erwärmung der Meeresströme vor der Küste Perus zu starken Regenfällen und damit zu heftigen Überschwemmungen im Norden Perus kommt. Während des Niño multipliziert sich die Niederschlagsmenge um ein 10-50faches des normalen Niederschlags. Im Norden des Landes produziert El Niño Erdrutsche und verstärkt die Bodenerosion. Häufig kommt es zu Epidemien aufgrund des stark verunreinigten Wassers.

Im Süden Perus bleibt während des Niño-Phänomens der Regen häufig ganz aus und es herrscht Dürre.

Laut Statistik trat das El-Niño-Phänomen nur alle 50-100 Jahre auf. Ingenieur Cajusol erklärt, dass die El-Niño-Phänomene durch die weltweit ansteigenden Temperaturen in Zukunft häufiger auftreten werden und Peru deshalb vom Klimawandel besonders betroffen sein wird. Überschwemmungen und Dürren werden jeweils deutlich stärker ausgeprägt sein.

Die Dramatik der Situation hat die Sensibilität für das Thema offenbar geschärft. Neben den Bauern und Kleinproduzenten von Piura sind auch die Regionalregierung und andere Behörden sowie zivilgesellschaftliche Institutionen bei der Veranstaltung vertreten.

Die Verfügbarkeit von Wasser, im trockenen Wüstenstreifen der peruanischen Küste schon von jeher ein sehr knappes Gut, wächst durch den Klimawandel zunächst trügerischerweise an, weil die Gletscher mit rasender Geschwindigkeit abschmelzen. 22% der gesamten Gletscheroberfläche sind in den letzten 35 Jahren bereits abgeschmlozen, dies entspricht dem Wasserverbrauch der 9-Millionen-Stadt Lima von 10 Jahren. Nach aktuellen Berechnungen werden bis zum Jahr 2015 die gesamten peruanischen Gletscher unterhalb von 5.000 m. ü. NN verschwinden. An der peruanischen Küste lebt der Großteil der Peruaner – in der Hauptstadt Lima, die ein Drittel der Gesamtbevölkerung Perus beherbergt, und weiter in den Städten entlang der Küste: Chiclayo, Chimbote, Trujillo, Tumbes u.a. Das Küstengebiet ist für die Auswirkungen des Klimawandels besonders anfällig. Wasser ist hier schon jetzt ein Problem – die Szenarien für die Zukunft sind besorgniserregend.

Der Klimawandel hat vor allem zwei Ursachen: zum einen wird durch das Verbrennen fossiler Brennstoffe wie Kohle, Benzin, Holz etc. Kohlendioxid freigesetzt, das für den Treibhauseffekt verantwortlich ist. Zum anderen – und hier spielt Peru eine besondere Rolle – werden die Kapazitäten zur Umwandlung von CO2 in Sauerstoff durch den massiven und schnell voranschreitenden Abholzungsprozess weltweit kontinuierlich reduziert. Der Amazonas, der größte zusammenhängende Regenwald der Welt, stellt ein Drittel der Fläche Perus dar. Doch der Holzeinschlag ist enorm – pro 60 Minuten wird dort die Fläche von 43 Fußballfeldern abgeholzt. Täglich, stündlich. Somit ist Peru trotz geringer Industrialisierung und vergleichsweise wenig Ausstoß von Abgasen ein wichtiger Mitverursacher des Treibhauseffekts.

Die Tatsachen liegen auf dem Tisch – eine Veränderung herbeizuführen ist schwierig. Die Ursachen für diese massive Abholzung sind komplex, und letztlich handelt es sich nicht selten sogar um legitime, nachvollziehbare Interessen, die zu diesem in der Summe völlig unlegitimen Raubbau an der Natur führen.

Dass sich in Piura so viele Menschen für das Thema Klimawandel interessieren, hängt nicht zuletzt auch mit einem derzeit viel diskutierten Bergbauprojekt zusammen, das in der Region für Konflikte sorgt: eines der größten Kupferbergbauvorhaben Perus, das „Projekt Rioblanco“, soll hier in den nächsten Jahren implementiert werden. Ist die erste Mine erst einmal eröffnet, werden weitere Minenprojekte folgen. Insgesamt sind in nur 4 Provinzen der Region Piura ca. 200.000 ha Land für den Bergbau konzessioniert, in manchen Distrikten beanspruchen die Bergbau-Konzessionen mehr als die Hälfte des Territoriums. Verschiedene transnationale Bergbaukonzerne stehen bereits in den Startlöchern, um die wertvollen Mineralien abzubauen.

Dort, wo das Rioblanco-Projekt entstehen soll, liegt gleichzeitig einer der letzten Nebelwälder Perus (Páramos), Quellgebiet für mehrere Flüsse, die zum Teil nach Osten hin in den Amazonas münden und den gesamten Kontinent überqueren oder nach Westen hin in den Pazifik fließen. In dem aus biologischer Sicht hochsensiblen Gebiet leben Tapire, die letzten Brillenbären und eine ganze Reihe anderer seltener Tierarten. Der World Wildlife Fund (WWF) hat eine Studie erstellt, in der er die Fragilität des Ökosystems untersucht und zu dem Schluss kommt, dass die gesamte Zone aufgrund ihrer reichen Flora und Fauna und der Vulnerabilität dieser Biodiversität unter Naturschutz gestellt werden sollte.

Die Verbindung von Bergbau und Klimawandel wurde bisher selten hergestellt. In der Veranstaltung aber wird der Zusammenhang vom Publikum sofort erkannt. Die meisten Fragen aus dem Publikum richten sich daher auch auf das geplante Bergbauprojekt Rioblanco. Bedeutet die Ausbeutung der Kupfervorkommen nicht zunächst einmal das Abschälen der Waldbestände und große Erdbewegungen? Kann das tatsächlich jemals wieder aufgeforstet werden, wie das Unternehmen großspurig verspricht? Wenn die Wasserquellen erst einmal versiegt sind – kann man sie jemals wieder zum Leben erwecken? Wissenschaftler sind sich einig, dass das nicht möglich ist. Deshalb wäre ein einzelnes Bergbauprojekt in der Region, schon eine Sünde. Ein ganzer Bergbaudistrikt, wie er auf den Plänen des Bergbauministeriums bereits existiert, wäre das Ende eines Naturparadieses.

Das Publikum fragt auch: Was bedeutet das Bergbauprojekt für die Kooperativen, die an Hängen der Anden ökologischen Café, Mangos, Limonen und Zucker für den Export produzieren? Ihr Erfolg widerspricht der Ansicht, dass es in der Region keine besseren Alternativen als den Bergbau gibt. Die Region hat Potenzial für nachhaltigere Entwicklungsmodelle als den Kahlschlag, den der Bergbau bedeutet. Nach Auskunft des Präsidenten der Produktionskooperative Cepicafe, Luis Loja, kann die Nachfrage nach Öko-Kaffee aus der Region von den derzeitigen Produzenten nicht gedeckt werden. Derzeit sucht Cepicafé aktiv nach neuen Produzenten, die sich ihrem Entwicklungsmodell anschließen!

Auch die Referenten auf der Veranstaltung der Diakonie für Gerechtigkeit und Frieden plädieren für ein Umschwenken und Umdenken Richtung nachhaltige Entwicklungsstrategien auf ökologischer, ökonomischer, sozialer und politischer Ebene. Der Biologe Luis Albán vom Proyecto Páramo Andino fordert den Erhalt der Biodiversität und eine nachhaltige Nutzung von Ressourcen und Ökosystemen. Eine vernünftige Raumplanung, die in Peru bisher nur in ganz wenigen Zonen existiert, ist dafür so unerläßlich wie die Priorisierung von ökologischen Ressourcen vor ökonomischen Ressourcen in spezifischen Gebieten. Umwelt- und damit Klimaschutz muss auf die politische Agenda gesetzt werden und als Querschnittstheme in allen Sektoren verankert werden. Lokale und regionale Regierungen müssen aktiv in die Verantwortung einbezogen werden. Dahin ist es in Peru noch ein langer Weg. Obwohl es auf dem Papier diverse Vorschläge für nationale und regionale Strategien zur Anpassung an den Klimawandel gibt sowie konkrete Ideen, wie die Bevölkerung für das Thema sensibilisiert werden kann, scheitert die Umsetzung bisher vor alllem am fehlenden politischen Willen, sich des Themas wirklich anzunehmen. Die bestehende Umweltgesetzgebung fällt bei der praktischen Umsetzung nicht selten anderen Prioritäten zum Opfer. Ein Umweltministerium gibt es nicht, der Schutz der Umwelt ist bisher eine nachgeordnete Aufgabe der verschiedenen Ministerien.

Die Länder des Nordens und internationale Institutionen wie Weltbank und IWF sind mit ihren Schuldenforderungen an Peru und den vorgeschlagenen Programmen zur Wirtschaftsförderung nicht unschuldig an dieser einseitigen Prioritätensetzung. Eine nachhaltige globale Entwicklung muss vom Norden genauso mitgetragen werden wie vom Süden. Dabei müssen systemische Wechselwirkungen in den Blick genommen werden. Unternehmen aus dem Norden müssen dafür ebenso Verantwortung übernehmen wie die Regierung und Bevölkerung Perus.

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