Wandern zwischen den Welten....

23.06.07

Landung in Deutschland

Ich sitze im Flugzeug. Wieder einmal neigt sich eine dieser schier endlos langen Interkontinentalreisen ihrer Landung entgegen. Unter uns liegt schon Europa und ich schaue neugierig hinab auf diesen Kontinent, „meinen“ Kontinent.... Alles liegt hier so nah beinander, fällt mir mal wieder auf.... Eben waren wir noch über England, jetzt sind wir schon über Frankreich. Dann, nur eine halbe Stunde entfernt, Deutschland.

Schon die Wolkentürme über den deutschen Landen sehen vertraut aus – solche Wolken gibt’s nirgendwo sonst auf der Welt, nicht in Peru, nicht über den Anden und nicht über dem Amazonas, nicht über dem großen weiten Atlantik und nicht über den USA. Nirgends sehen die Wolken so watteweich und bauschig aus wie hier über Mitteleuropa, nirgends türmen sie sich wie verzauberte Schlösser in den Himmel und bilden bizarre Wolkenlandschaften.

Darunter grüne, braune und gelbe Felder, wie kleine Flickenteppiche, eins neben dem anderen, viereckig, fruchtbar, klein und beschaulich.... schönes, ordentliches, aufgeräumtes Deutschland. Ich schüttle den Kopf bei diesem Anblick, schaue aus 800 m hinab und denke: Zuhause!! Sanfte Hügel. Grüne Felder. Wälder. Das ist Deutschland.
Alles ist sauber angeordnet. Städte. Dörfer. Rote Ziegeldächer. Die Sonne scheint. Schön, zu Hause zu sein! In der S-Bahn: Was für ein grünes Land!! Was für ein unglaublich grünes Land!!! Der Gedanke will gar nicht wieder aus meinem Kopf verschwinden. Erstaunt betrachte ich „mein“ Land, seine Schönheit beeindruckt mich zutiefst. Was Peruaner wohl denken mögen, wenn sie hier landen? Alles so grün. Alles so sauber. Kein Staub auf den Dächern, keine Abgase in der Luft. Alles ordentlich – rein – aufgeräumt – still. Keiner spricht in der Bahn, alle lesen – Bücher, Zeitungen, Zeitschriften. Ein lesehungriges Volk, diese Deutschen. Aber nicht gerade gesprächig. Auch die Menschen: sehr aufgeräumt. Ordentlich sitzen sie auf den Sitzbänken. Ist das alles echt, oder ist das ein Spielzeugland?

Die S-Bahn flitzt durch die Landschaft. Ich denke an Lima, die Avenida Arequipa bei mir um die Ecke, eine der Hauptverkehrsadern in Miraflores, vollgestopft mit Combis, Bussen, Minibussen. Alte, stinkende, schnaubende Gefährte, die Türsteher stehen in der halboffenen Tür und rufen die Route auf die Straße hinaus. Eine S-Bahn in Lima... man könnte innerhalb von 5 Minuten in Barranco sein. In 10 Minuten in Chorrillos. In 10 Minuten im Zentrum von Lima. Welch seltsame Vorstellung....

Hauptbahnhof Stuttgart. Ich kämpfe mich mit meinem Gepäck auf den Bahnsteig. Kein Gepäckträger eilt mir entgegen. Gepäckwagen? Fehlanzeige. In der Bahnhofshalle finde ich schließlich einen. 50 Cent verlangt er, bevor er den Dienst antritt.
„Kein Wunder, dass hier alles so aufgeräumt ist“, schießt es mir durch den Kopf.... „wenn man hier immer gleich zur Kasse gebeten wird, für jedes kleine bißchen Unordnung, das man eventuell verursachen könnte“. Woher nimmt der eben aus dem Ausland eingereiste Besucher die 50 Cent für den Gepäckwagen – am Flughafen? Am Bahnhof? Sehr gastfreundlich wirkt das erst mal nicht.... Deutschland eben.. hier muss alles seine Ordnung haben. Auch im Zug: dort sitze ich auf einem offenbar reservierten Platz. Der ganze Zugwaggon ist leer. Trotzdem besteht der junge Mann darauf, dass er auf seinem reservierten Platz sitzen muss. Ich verkrümle mich – nicht, ohne im Geiste die Stirn zu runzeln. Auch das ist Deutschland. Die schönen, sauberen, ordentlichen, deutschen Lande haben einen Preis....

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