Wandern zwischen den Welten....

21.12.09

Zurück in vertrauten Gefilden !!!

Uff…nach 2 ½ intensiven, spannenden, anstrengenden, zum Teil beschwerlichen, zum Teil wirklich superschönen Wochen in Bolivien bin ich jetzt wieder in Lima gelandet. Lima…das fühlt sich immer noch und immer wieder nach „zu Hause“ an. Schon der Flughafen – so wohlbekannt, erst das Prozedere bei der Immigration, dann das Warten am Gepäckband, schließlich der rote/grüne Zufallsknopf – muss ich mein Gepäck dem Zoll vorführen oder komme ich so davon? Ich habe Glück, der Knopf gibt grünes Licht, ich gehe durch den Zoll, schnappe mir einen Taxifahrer und trete vor das Flughafengebäude. Hmmmm - da bin ich also, tauche ein in diese typisch limeñische Mischung aus feuchter Meeresluft und Autoabgasen… nach den Wochen in den sauerstoffarmen Höhen der Anden kommt mir diese Luft vor wie die schönste Brise auf der ganzen Welt! Das Taxi biegt ein auf die Avenida Faucett und in mir macht sich Festtagsstimmung breit. Um mich herum jede Menge hupende Taxis, knatternde und scheppernde Busse, aus allen Nähten platzende Combis. Juhuu! Ich bin zu Hause!!! Wir quetschen uns durch die Straßen, durch gewiefte Manöver versuchen wir immer wieder, einem anderen Taxi einen Zentimeter Vorsprung abzuringen…im Jahr 2009 gab es bereits mehr als 563 Unfalltote auf Lima’s Straßen, das konnte ich eben in der Zeitung auf dem Flug von La Paz nach Lima nachlesen. 0,19% der Fälle gehen auf technisches Versagen zurück – die restlichen 99,81 % sind dann wohl zurückzuführen auf den absoluten Wahnsinn der limeñischen Fahrer…wen wundert’s??? Ob Bus, Taxi, Combi oder Privatwagen – hier fahren alle wie die Bekloppten. Lieber das eigene Leben riskiert als einem anderen die Vorfahrt gewährt – das ist hier das Motto! Aber… so bescheuert das vielleicht klingen mag… heute tauche ich in dieses lärmige, stinkende Chaos ein und finde es einfach nur großartig!

Der Weg nach Miraflores ist mir vertraut wie meine Westentasche, der Taxifahrer ist gesprächig, erzählt mir die neuesten Schoten aus Alan García’s Regierungs(un)wesen, arbeitet ganz nebenbei den üblichen Fragenkatalog ab von wegen „woher kommst Du?“ „was machst Du hier?“ „und Dein Ehemann – Peruaner oder Deutscher?“ und ich könnte ihn knutschen dafür, dass er alles richtig macht, bis hin zu der Frage, ob ich Ceviche mag. Ja!!! Ich liebe Ceviche!!! Und morgen werde ich mir einen ganzen Fischschwarm einverleiben!!

Wir kommen bei Jutta’s Wohnung an und der Wächter begrüßt mich mit einem „da sind Sie ja, wir haben schon auf Sie gewartet!“ Na wunderbar – ich habe auch schon seit Tagen auf den Moment gewartet, wo ich mich endlich wieder auf vertrautem Boden bewege…!!

Ich parke mein Gepäck in Jutta’s Wohnung und gehe dann gleich zu WONG - ein bisschen Proviant einkaufen, damit ich morgen früh wenigstens Kaffee und Milch im Haus habe. Jutta ist ja in Wien und ihr Kühlschrank gähnend leer…. Am Ovalo Gutierrez ist alles wie immer – die Obstfrau packt nach einem langen Arbeitstag ihren Wagen zusammen und schickt sich an, nach Hause zu gehen. Der Wächter vor der „Interbank“ grüßt - ebenfalls freundlich wie immer - und gleich um die Ecke, kurz vor dem Eingang zum Supermarkt, sitzt die Frau mit dem Rollstuhl, die hier immer Bonbons verkauft. Ich sage ihr, dass ich ihr was gebe, wenn ich rauskomme… Es hat sich wirklich gar nichts verändert…denke ich….

Im WONG erwarten mich allerdings große Veränderungen!!! Der ganze Supermarkt gleicht einem blinkenden, glitzernden, leuchtenden Weihnachtsmarkt – Lichterketten, Nikoläuse, Schneemänner und alles, was man sich an Weihnachtsdeko nur vorstellen kann. Das Ganze trifft mich so unerwartet wie einen japanischenTouristen, der im Hochsommer in Rothenburg ob der Tauber in Käthe Wohlfahrt’s Weihnachtsdorf tritt… Im Hintergrund klimpert jemand auf dem Flügel – das fand ich schon immer skurril: ein Flügel im Supermarkt, steht da so rum, zwischen Fischtheke und Sahnetortenabteilung, ein junger Typ in weißem Hemd und schwarzer Hose gibt sein Können zum Besten, daneben plätschert ein Springbrunnen gleichgültig vor sich hin, über allem flutet gleißend helles Neonlicht und die Leute schieben ihre Einkaufswagen durch die Gänge… ich bahne mir meinen Weg durch die unglaubliche Menschenmenge, die am Samstag Abend um halb zehn offenbar nichts Besseres zu tun hat als im Supermarkt herumzuflanieren und den Kauf eines Stück Käses zum Ereignis des Jahres zu machen: „Ja, ich bin jetzt hier an der Käsetheke….nein, mi Amor, ich kann den Käse nicht finden. Letzte Woche war er noch hier. Ach Du meine Güte….was machen wir denn nun??? Pizzakäse??? Nein…lass mich mal schauen.. (sie lehnt sich von links über mich und grapscht nach einem Käse)….“nein…gibt es nicht….ach, hier…ja…ich glaube, ich hab was….“ Und so weiter und so fort. Ich mache, dass ich wegkomme. Kaufe ein paar Mangos (Mangozeit!!!), Avocados, Salzstangen, Wein, Salat vom Salatbuffet, Milch, Kaffee…. Und ab zur Kasse. „Tarjeta Wong?“ fragt die Verkäuferin, auch wie immer, und ich schüttle den Kopf. Hab keine Wong-Karte. Will keine Wong-Karte. Brauch auch keine Wong-Karte. Bin ja nur zu Besuch hier. Aber nett, dass sie trotzdem fragt…!! Gott ist das schön, hier zu sein. All das zu kennen. Es zu lieben, in all seiner wundersamen Absurdität. Und mich hier noch immer genauso zu Hause zu fühlen wie in Köln!!! Manche Menschen sind zweisprachig. Ich bin eben zweiwohnortig :-)

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