Wandern zwischen den Welten....

30.08.07

von Frauen, die ihr Schicksal in die Hand nehmen...

Frauenförderung spielt in der Entwicklungszusammenarbeit eine wichtige Rolle. Längst hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Entwicklungsprozesse nur dann erfolgreich sein können, wenn sie alle Mitglieder einer Gemeinschaft aktiv einbeziehen, wenn sie von möglichst vielen Akteuren gemeinsam konzipiert, gestaltet und mitgetragen werden. Das gilt für alle Länder – ob Nord oder Süd, ob Ost oder West.

In Peru, einem Land, in dem der Machismo sehr stark ausgeprägt ist und die Rollenbilder sowohl in den Köpfen der Männer als auch in den Köpfen der Frauen extrem von traditionellen Werten und Vorstellungen geprägt sind, ist dies eine besondere Herausforderung.

Gerade in den ländlichen Gegenden sind die traditionellen Rollenmuster sehr festgefahren: die Frau kümmert sich um Haus und Kinder, um die Mahlzeiten und das Kleinvieh wie Hühner, Schafe und Meerschweinchen. Die Männer gehen raus auf’s Feld und kümmern sich um’s Großvieh.Sie sind es auch, die am Sonntag auf die Viehmärkte gehen und entscheiden somit über Einkommen und Ausgaben. Überhaupt werden die ökonomischen Entscheidungen fast ausschließlich von Männern getroffen, ob in der Familie, in der Gemeinde oder in der nationalen Politik. Kaum ein Dorf, in dem im Gemeinderat auch Frauen sitzen, von einer Bürgermeisterin ganz zu schweigen.

Häusliche Gewalt ist ein sehr weit verbreitetes Phänomen auf dem Land. In Verbindung mit Alkoholismus kann das zu brutalen Handgreiflichkeiten führen. Auch sexuelle Gewalt ist in vielen Familien an der Tagesordnung.

Die viele Frauen reagieren darauf in der Regel mit Schweigen und Resignation. Das ganze Gewaltthema ist ein großes Tabu, über das man noch nicht mal mit der Nachbarin spricht. Man ist eben mal wieder „hingefallen“. Die anderen wissen das dann schon einzuordnen...

Das Durchbrechen dieser Muster ist schwer, denn sie sind eben keinesfalls nur in den Köpfen der Männer zu finden, sondern genauso fest in den Köpfen der Frauen verankert. Gemeinsam geben die Eltern diese Rollenmuster an ihre Kinder weiter und können sich oft gar nicht vorstellen, dass es auch anders gehen könnte.

Für Frauen ist es schwierig, ihre Isolation zu durchbrechen. Die Männer geben sich häufig extrem eifersüchtig und grenzen den Bewegungsradius ihrer Frauen stark ein. Die Teilnahme an Versammlungen und Veranstaltungen wird untersagt oder mit großem Mißtrauen beäugt. Man setzt sich dem Spott der anderen Männer aus, wenn man sich von seiner Frau derart auf der Nase rumtanzen läßt.

Tatsächlich ist der schlichte Austausch zwischen Frauen meist ein erster Schritt, sich festgefahrene Verhaltensmuster bewußt zu machen.

Beim Besuch verschiedener Frauengruppen treffen wir auf Mariza, eine selbstbewußte Frau, die schon in früher Kindheit ihren Vater verlor und deshalb als älteste Tochter in der Familie seine Rolle übernahm.

Mariza erzählt: „ich habe es nie eingesehen, warum wir Frauen nicht mitentscheiden dürfen, warum wir nicht unser eigenes Einkommen haben können, warum wir uns schlagen lassen sollen.“ Immer hat sie den Kontakt und Austausch mit anderen Frauen gesucht und sich an die Spitze einer Basisorganisation gestellt, die heute mehr als 180 Mitglieder hat. Diese Organisation wurde zunächst geschaffen, um einige landwirtschaftliche Produkte zu vermarkten, hat aber im Lauf der Zeit Themen wie Menschenrechte, Gesundheit, Bildung sowie Bürgerrechte und Beteiligung an politischen Entscheidungsprozessen immer expliziter aufgenommen.

Die Emanzipation der Frauen geht Hand in Hand mit der Erwirtschaftung eines eigenen Einkommens. So hat sich Mariza über den Haushalt hinaus diverse kleine, einkommensschaffende Maßnahmen geschaffen: sie betreibt den Anbau von Gemüse, das sie gemeinsam mit anderen Produzentinnen vermarktet und das ihr im Monat zwischen 200 und 700 Soles einbringt, je nach Jahreszeit und Marktlage. Darüber hinaus hat sie eine Blumenzucht, die zusätzliches Einkommen schafft. Mariza liebt Blumen und genießt es, die Pflanzen zu schneiden und zu bunten Sträußen zu binden. Jeden Samstag verkauft sie auf dem Markt und hält in diesem Zusammenhang auch Versammlungen mit den anderen Produzentinnen ab. Gemeinsam mit ihren Nachbarinnen stellt sie ätherische Öle her, die als Heiltropfen oder Kosmetikmittel verkauft werden. Ihr neuestes Vorhaben ist ein Tourismus-Projekt. Sie hat ihr Haus umgebaut, hat Fremdenzimmer eingerichtet und sanitäre Anlagen installiert. Die Touristen werden bei ihr ein anderes Peru kennenlernen, als in den 5-Sterne-Hotels unweit von Mariza’s Grundstück.

Mariza gesteht, dass auch ihr Mann anfangs versuchte, sie mit Gewalt in das vorherrschende Rollenmodell zu pressen. Inzwischen erkennt er Mariza jedoch als ebenbürtige Partnerin an und ist stolz auf das, was sie erreicht hat: sie ist Mitglied im örtlichen Gemeinderat, ist Leiterin einer großen Frauenorganisation und würde in den letzten Wahlen sogar als Abgeordnete für den Kongress aufgestellt. Auch wenn sie dieses Amt noch nicht erreicht hat, scheint sie auf dem besten Weg dorthin zu sein. Eine Frau mit Herz und Verstand, mit Weitblick und Visionen: „Ich träume davon, dass in 20 Jahren alle Frauen in Peru für ihre Rechte eintreten. Dass sie ihr Schicksal aktiv in die Hand nehmen und gemeinsam mit ihren Männern eine andere Art von Leben leben, als das heute der Fall ist. Ein Leben, das von gegenseitigem Respekt geprägt ist und von gleichen Chancen für alle Menschen, ob Mann oder Frau, ob arm oder reich.“


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