Wechselbad der Theologien in Peru - von der Wiege der Befreiungstheologie zur Hochburg des Opus Dei
Die Befreiungstheologie gründet auf einer unverbrüchlichen Verbindung zwischen Volk und Kirche. Ihr zugrunde liegt die Idee der Befreiung des Menschen aus jeder Form von Sklaverei und Unterdrückung. Inspiriert vom Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils, leiteten die Befreiungstheologen aus ihrer Theologie politische Forderungen für die Realität ab, die zu dem Grundsatz der „vorrangigen Option für die Armen“ führte. Dieser fordert die eindeutige und bedingungslose Parteinahme für die Armen. Der Kern dieser Lehre ist die reale Erfahrung des Lebens der Armen in einer von Ausbeutung und Ungerechtigkeit geprägten Gesellschaft. Ihr Ziel ist demnach die Befreiung der Armen aus Not und Abhängigkeit. Für die Kirche und insbesondere für kirchliche Entwicklungszusammenarbeit bedeutet das einen expliziten Kampf gegen ungerechte, diskriminierende und auf Exklusion beruhende soziale, politische und wirtschaftliche Systeme.
Die Zeit der Befreiungs- theologen scheint indes in weiten Kreisen der katholischen Kirche inzwischen vorbei zu sein. Nicht nur in Rom, auch in Peru herrscht inzwischen ein ganz anderer Geist. Die katholische Kirche hat hier in den letzten Jahren gründlich aufgeräumt mit solcherlei „revolutionärem“ und „kommunistischem“ Gedankengut, mit sozialpolitischer Einmischung der Kirche und ökonomischer Kritik. Mehr als die Hälfte aller Bischöfe Perus gehören dem Opus Dei oder verwandten konservativen bis ultrakonservativen Strömungen wie dem „Lumen Dei“ oder dem „Sodalicium“ an. Schritt für Schritt setzt Rom in allen Diözesen auf den konservativen Wandel. Das Oberhaupt der peruanischen Kirche, Kardinal
Den immer radikaleren Wandel in der katholischen Kirche Perus spürt auch Misereor als Hilfswerk der katholischen Kirche, das bis heute stark von befreiungs- theologischen Prinzipien und Überzeugungen geleitet wird. In einigen Diözesen haben die neu eingesetzten Bischöfe die MitarbeiterInnen unserer kirchlichen Partnerorganisationen ausgewechselt oder schlicht mit ihren neuen kirchlichen Leitsätzen vergrault. Eine Fortsetzung „unserer“ Arbeit ist unter ihrer Aufsicht nicht mehr möglich. Die Bischöfe verweigern sich unserer Definition von Entwicklung und Entwicklungshile. Ein Waisenhaus betreiben oder eine Schule bauen – so stellen sich diese Bischöfe kirchliche Sozialarbeit vor. Stärkung von Prozessen zur Bürgerbeteiligung? Politische Teilhabe? Verteidigung der Rechte der vom Bergbau betroffenen Bauern- gemeinschaften? Nein! Alles viel zu politisch! Der Bauer soll bei seiner Scholle bleiben, soll möglichst nicht politisch „aufgewiegelt“ werden, soll voller Demut das Feld bestellen und am Sonntag in die Messe gehen. Wer will schließlich ein mündiges (= aufmüpfiges) Volk? Tja... und wer will schon eine mündige Kirche?
Doch spurlos ist die Zeit der Befreiungstheologie nicht an den Katholiken Perus vorbeigegangen. Jüngst haben in der Prälatur von Ayaviri die Gläubigen den Aufstand geprobt, indem sie die Kirche besetzten und forderten, der vom neuen Bischof neu eingesetzte Priester solle sich zum Teufel scheren. Die Bauern fühlten sich von Ton und Botschaft der neuen Kirchenväter in ihren Traditionen und in ihrem Glauben dermaßen missachtet, dass sie Flugblätter und Plakate verteilten, auf denen sie sich offen gegen die Geistlichen und ihre Theologie wendeten. „Ihr habt den Glauben nicht für Euch gepachtet! Der Glauben gehört uns allen und schließt uns alle ein – egal, wo wir in der Kirche stehen! Die Kirche gehört nicht den Popen, sondern dem Volk, und wenn ihr uns ausschließen wollt, werden wir unsere Kirche zurückerobern!!“
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