Wandern zwischen den Welten....

12.09.07

5 Wochen nach dem Erdbeben in Peru

Carlos Levano ist Lehrer an einer Schule in Ate Vitarte, einem Stadtteil im Armengürtel von Lima. Seine Familie lebt in Chincha, eine der Städte, die am schlimmsten von dem Beben betroffen war. Am 15.08.2007 stürzte ihr Haus und damit all ihr Hab und Gut innerhalb weniger Minuten zusammen. Zurück bleibt ein Haufen Schutt und die Frage: Wie geht es weiter?"Zum Glück ist keiner meiner Familienangehörigen um’s Leben gekommen“, berichtet Carlos. Alle konnten sich rechtzeitig auf die Straße retten und nur noch von draußen zusehen, wie die Welt um sie herum buchstäblich zusammenbrach. Das kleine, aus Lehmziegeln gebaute Haus der Familie, ist ein Trümmerhaufen. Seit 5 Wochen campiert die Familie in einem Zelt vor dem GrundstückDie über 80jährige Mutter sowie die beiden Brüder von Carlos, der eine behindert, der andere arbeitslos, hängen finanziell von dem mageren Gehalt von Carlos ab.

Ein paar Tage dem Erdbeben rief mich Nilton an, ein Freund und der Bruder von Carlos. Er erzählte mir, dass seine Familie schwer von dem Beben betroffen sei. Er bat mich um Hilfe. Statt Nahrungsmittel und Kleider zu sammeln, spendete ich Geld, mit dem die Familie sich Wasserbehälter, Lebensmittel, Decken und Medikamente kaufte.

Die erste Hilfe des Staates traf erst 3 Tage nach dem Beben ein. Auf den zentralen Plätzen der Stadt wurden nach Aussage von Carlos Lebensmittel, Wasser und Kleidung verteilt. „Es hat von Anfang an an Organisation gefehlt. Da stellten sich zum Teil 12 Mitglieder der gleichen Familie in der Schlange an und alle bekamen etwas von den Hilfslieferungen ausgehändigt, ohne Strategie, ohne Plan. So haben einige Familien stark von den Lieferungen profitiert, während andere nichts von der Verteilung wussten oder ihr Hab und Gut nicht zurücklassen wollten, weil es ja auch viele Plünderungen gab. Die saßen dann da, und hatten gar nichts.“

Auf die Frage, wie es denn jetzt, 5 Wochen nach dem Erdbeben, vor Ort aussehe, antwortet Carlos: „Seit einer Woche sind wir wieder alleine. Die Zentralregierung und die Regionalregierung streiten sich darum, wer die Koordination des Wiederaufbaus übernimmt, und wir sitzen derweil wieder ohne Hilfe da.“ Nach den ersten Hilfslieferungen hatte die Regierung Bagger und LKWs geschickt, um mit den Aufräumarbeiten zu beginnen. Hilfstrupps halfen beim Abtransport des Schutts. Inzwischen steht die Aktion still. „Es ist nach wie vor das gleiche Problem. Es fehlt an Koordination, an einem strategischen Plan,“ sagt Carlos. „Alle wollen zuständig sein, und sich zum großen Protagonisten aufspielen, und die Leidtragenden sind wir.“

Auch die staatliche Bürokratie macht Probleme: „Wir müssen uns stunden- und tagelang anstellen, um offiziell als Erdbebengeschädigte im Register eingetragen zu werden. Das ist ein aufwändiges Verfahren. Uns kostet es Zeit und Nerven, die wir an anderer Stelle dringend benötigen.“ Die Regierung begünstigt beim Wiederaufbau in erster Linie die Eigentümer der Häuser. Carlos und seine Familie, die in dem Haus in Miete wohnten, wissen nun nicht, was das für sie bedeutet. Werden sie wieder in das neu gebaute Haus einziehen können? Haben sie darauf einen Rechtsanspruch. All diese Fragen sind ungeklärt. Überhaupt funktioniert der Informationsfluss nicht: „Die Bürger sind nicht informiert über Registrierungen, über die Hilfsmaßnahmen der Regierung, über den Master-Plan, wenn es denn einen gibt.“

Auf die Frage, was er sich für die nächsten Wochen am dringensten erhofft, antwortet Carlos: „Dass man uns nicht alleine läßt. Wir sind zwar arm – aber wir sind auch Teil dieses Landes.“

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