Wandern zwischen den Welten....

21.09.07

Beschimpfungen, Drohungen, Anfeindungen

Bei der Durchsetzung ökonomischer Interessen kämpft die peruanische Regierung mit harten Bandagen

Am Beispiel des Bergbauprojekts Rioblanco, das nach dem Willen der peruanischen Regierung in den kommenden 25 Jahren in der Region Piura, im äußersten Norden Perus, von dem chinesischen Zijin Konsortium ausgebeutet werden soll, läßt sich beobachten, mit welch harten Bandagen die Regierung in enger Allianz mit dem Unternehmen um die Durchsetzung ökonomischer Interessen kämpft. Dabei setzt sie die Menschenrechte sowie demokratische und rechtsstaatliche Grundprinzipien auf’s Spiel.

21 Dorfgemeinschaften, mehr als 18.000 Menschen, haben am 16.09.2007 in den Distrikten Ayabaca, Carmen de la Frontera und Pacaimpampa mit einer überwältigenden Mehrheit von 93% gegen den Bergbau in ihrer Region gestimmt. Das von den Bürgermeistern der drei Distrikte einberufene Referendum war zum nationalen Thema geworden, weil die Regierung unter Präsident Alán García und Premierminister Jorge del Castillo mit allen Mitteln versucht hatte, das Referendum zu verhindern.

Der Boykott des laut peruanischer Gesetzgebung sowohl legalen als auch legitimen Instruments einer Volksbefragung begann bereits Wochen vor dem Abstimmungstermin, als die nationale Wahlbehörde ONPE es offiziell ablehnte, das Referendum im Auftrag der Bürgermeister in den drei Distrikten durchzuführen. Bei anderen Volksabstimmungen hatte die ONPE diese Rolle in den vergangenen Jahren schon mehrfach übernommen, im Fall Rio Blanco tat sie es nicht. Also wurde von den Bürgermeistern ein privates Unternehmen mit dieser Aufgabe betraut, um sicherzustellen, dass alles ordentlich und entsprechend peruanischer Gesetzgebung durchgeführt würde. Auch wurden nationale und internationale Wahlbeobachter eingeladen, um den Prozess zu überwachen.

Den Schulen wurde verboten, ihre Räume als Wahllokale zur Verfügung zu stellen. Die Wahl musste deshalb unter freiem Himmel in den Fussballstadien der Provinzhauptstädte durchgeführt werden.

Der Staatspräsident Alan Garcia und Premierminister Jorge del Castillo versuchten wiederholt, das Referendum als einen illegalen Akt zu kriminalisieren und schreckten auch vor gezielter Desinformation der Bevölkerung nicht zurück. So versuchten sie in einem Radiospot, die öffentliche Meinung in die Irre zu führen, indem sie behaupteten, die Consulta Vecinal verstoße gegen die peruanische Gesetzgebung und dies sei auch von der Defensoría del Pueblo (Ombudsmann des Volkes) bestätigt worden. Dabei hatte sich die Defensora del Pueblo – Beatriz Merino – ganz im Gegenteil zu diesem Zeitpunkt bereits mehrfach an die Öffentlichkeit gewandt und unterstrichen, dass die Consulta Vecinal rechtmäßig sei. Als der Radiosender Cutivalú in Piura sich weigerte, diese nachweislich falsche Informationen zu verbereiten, reagierte Premierminister Jorge del Castillo mit Beschimpfungen und drohte, diese „Zensur“ werde Konsequenzen für den Radiosender haben.

Auch der Nationale Rat für Menschenrechte des Justizministeriums trat an die Öffentlicheit und bestätigte, dass eine Volksbefragung laut peruanischer Gesetzgebung legal und legitim ist, sofern sie entsprechend der vorgeschriebenen Regeln durchgeführt wird, was in diesem Fall zutraf.

Wenige Tage vor der Abstimmung schwenkte die Regierung auf Dialog um. Die drei Bürgermeister der betreffenden Distrikte wurden kurzfristig in die Hauptstadt der Region nach Piura eingeladen um dort mit dem Premierminister persönlich über den Fall zu verhandeln. Die Bürgermeister nahmen das Dialogangebot an, allerdings baten sie angesichts der bevorstehenden Consulta und den damit verbundenen Vorbereitungen um Verschiebung auf ein Datum nach der Durchführung der Abstimmung. Der Premierminister führte daraufhin in Abwesenheit der Bürgermeister eine öffentlichkeitswirksame Veranstaltung in Piura durch, in der er behauptet wurde, die Bürgermeister würden sich dem Dialog mit der Regierung verweigern.

Das Nicht-Erscheinen der Bürgermeister führte zur weiteren Eskalation der Lage: vom Jurado Nacional de Elecciones (nationales Schwurgericht für Wahlen) erging am folgenden Tag Strafanzeige gegen die Bürgermeister der drei Distrikte wegen Überschreitung ihrer Amtsbefugnisse. All jene, die die Abstimmung finanziell und argumentativ unterstützten, sahen sich massiven Drohgebärden ausgesetzt. Die juristisch laut Ansicht der Staatsanwälte in den Regionen kaum haltbare Anzeige gegen die Bürgermeister zeigte autoritäre Züge, wie sie einer Demokratie nicht gut zu Gesichte stehen.

Der peruanische Staat hat bisher in der umstrittenen Region kaum Präsenz gezeigt: in den meisten der 21 Dörfer gibt es allenfalls eine Grundschule, in der ein Lehrer mehrere Klassen gleichzeitig unterrichtet. Außerhalb der Provinzhauptstädte gibt es keine Gesundheitsdienstleistungen. Die Straßen sind schlecht und der Zugang zu größeren Märkten ist für die Bauern entsprechend schwierig. Eine Stromversorgung gibt es nur in den großen Gemeinden, Wasser- und Abwasserversorgung fehlen gänzlich.

Im nach wie vor sehr Hauptstadt-zentrierten Peru war es für viele Beobachter wenig erstaunlich, dass die Regierung den Menschen vor Ort das Recht absprechen wollte, sich zu einer Frage von nationaler Reichweite zu äußern. Immerhin sind in der Region neben dem Kupferprojekt Rioblanco insgesamt mehr als 120.000 Hektar Land für den Bergbau konzessioniert. Dass diese enorm große Fläche heute noch von den letzten Nebelwäldern Perus bedeckt ist, in denen eine Vielzahl seltener Pflanzen und Tiere beheimatet sind, spielte im Diskurs der Regierung keine Rolle. Der World Wildlife Fund (WWF) hatte im Jahr 2005 eine Studie vorgelegt und darauf gedrängt, weite Teile dieses Gebiets unter Naturschutz zu stellen. Die peruanische Regierung hat andere Pläne.

In Peru gibt es bis heute keine Raumordnungspolitik, die eine Zonifizierung in ökologische und ökonomische Nutzungen gewährleisten würde. Statt dessen werden ökonomische Nutzungen, insbesondere der Bergbau, völlig unkritisch vor anderen Nutzungsmöglichkeiten priorisiert. Eine derart verengte Sichtweise kann unter Umständen verheerende Folgen nach sich ziehen. Ein Beispiel: Die Region Piura setzt sich zusammen aus insgesamt 8 Provinzen. In nur zwei dieser Provinzen gibt es Wasser, hier entspringen zwei große Flüsse. Die übrigen 6 Provinzen sind trocken und nutzen das Wasser aus den höher gelegenen Provinzen als Trinkwasser, in ihren Haushalten, für die Landwirtschaft und zum Bewässern der Felder. So können in den tieferen Lagen Piuras mit Unterstützung der internationalen Entwicklungs-zusammenarbeit sehr erfolgreich ökologischer Kaffee (Pidecafé) und Mangos für den Export produziert werden. Versiegen die Wasserquellen im Hochland von Piura, wird dies auch für die tieferen Lagen einschneidende Konsequenzen haben. Wenn also die Pläne der Regierung aufgehen, werden just in diesen zwei für den Wasserhaushalt der Region so enorm wichtigen Provinzen in den nächsten Jahren mehr als 120.000 Hektar Nebelwald und Páramos und somit die Wasserquellgebiete und eine große biologische Vielfalt vernichtet.

Vertreter von Kirche, Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen, die sich auf nationaler Ebene gegen die Bergbauprojekte in dieser ökologisch äußerst sensiblen Region aussprachen, wurden in den vergangenen Wochen als „rote Pfaffen“, als „Kommunisten“ und als „Terroristen“ beschimpft. Es begann eine regelrechte Hetzjagd gegen alle, die Teil dieses „investitionsfeindlichen Netzwerks“ sind. Teile der Presse schlossen sich der Schmutzkampagne an und attackierten einzelne Personen sowie die sehr verkürzt als „Anti-Bergbau-NGOs“ zusammengefassten Institutionen.

Die Bauern in der Region wurden als gewalttätige Rüpel dargestellt. Für den Tag der Consulta Vecinal wurde deshalb das Zehnfache Kontingent an Polizeikräften in die Provinzen entsandt. Entgegen all der wüsten, von der Regierung gezeichneten Szenarien verlief die Consulta aber in allen drei Provinzen absolut friedlich und ordentlich. Insgesamt nahmen 60% der Bevölkerung an der freiwilligen Abstimmung teil, was angesichts der großen Entfernungen, die von den Bauern zu Fuß zurückgelegt werden müssen und des regnerischen Wetters, als eine hohe Wahlbeteiligung gewertet werden kann. Insgesamt sprachen sich 93% der Bevölkerung gegen den Bergbau aus, 3% dafür, die übrigen 4% der Stimmen waren ungültig. Im Gegensatz zu der erbitterten Debatte vor der Consulta wurde das Ergebnis von der peruanischen Regierung nach der Consulta kaum kommentiert.

Der Diskurs von Präsident Alan García im Zusammenhang mit der Consulta Vecinal war zuweilen sehr aggressiv und einem Staatspräsidenten nicht angemessen. Dahinter mag sein persönliches Trauma stecken, dass in seiner ersten Regierungszeit von 1985 bis 1990 die wirtschaftliche Entwicklung Perus ein absolutes Desaster war. Alan García hatte sich damals aus der Regierung verabschiedet und dem Land eine Inflationsrate von über 7000 Prozent hinterlassen. Für seine zweite Regierungszeit hat er sich deshalb gerade im Bereich Wirtschaft ehrgeizige Ziele gesteckt. Der Staatspräsident sollte aber ein zweites nationales Trauma, das ebenfalls in seiner Amtszeit einen Höhepunkt erfuhr, nicht vergessen: die Zeit der politischen Gewalt und des Terrorismus durch den Leuchtenden Pfad. Die peruanische Wahrheits- und Versöhnungskommission weist in ihrem Bericht darauf hin, dass die Wurzeln dieser Zeit der internen Gewalt unter anderem in der ethischen und rassischen Diskriminierung , in der jahrhundertelangen Verachtung und Unterdrückung, in der Vernachlässigung der ländlichen Gebiete durch den Staat und die steigende Armut liegen. Eine Regierung, die mit dem Rücken zu ihrer Bevölkerung lebt, die die tiefe gesellschaftliche Spaltung Perus in ihren Diskursen vertieft anstatt sie zu bekämpfen, läuft Gefahr, die alte Wunde wieder aufzureißen, in der Menschen sich in ihrer ländlichen und bäuerlichen Identität mißverstanden, mißachtet und mißhandelt fühlen.

Fazit:

Die peruanische Regierung ist ganz offensichtlich sehr interessiert daran, ein attraktives Investitionsklima für ausländische Unternehmen zu schaffen. Darunter scheint sie vor allem zu verstehen, dass es keine kritischen Stimmen gegen die Pläne der ausländischen Investoren gibt, dass Firmen ihre Projekte ohne Konsultation der betroffenen Bevölkerung und ohne jeglichen Einwand durchführen können. Dass aber zu einem positiven Investitionsklima auch die Achtung grundlegender Menschenrechte wie das Recht auf freie Meinungsäußerung, das Recht auf Informationsfreiheit, sowie das demokratische Grundprinzip der pluralen Vielfalt von Meinungen sowie das faire Aushandeln von gangbaren Lösungen gehört, scheint die Regierung unter Alan García nicht zu verstehen.

In Bezug auf gute Regierungsführung, Demokratieverständnis und Achtung rechtsstaatlicher Prinzipien hat die peruanische Regierung in diesem Prozess ein bedenkliches Bild abgegeben. Es wäre wünschenswert, dass sich die peruanische Regierung an ihre Rolle als Vermittler zwischen den Interessen erinnert und sich nicht nur als Motor für Investitonen, sondern auch als Vertreter des Volkes versteht, das sie gewählt hat.


 
Counter