Wandern zwischen den Welten....

16.11.07

Tss Tss Tss Tss ....

Also.... dass Peruaner anders sprechen als Deutsche ist ja irgendwo klar. Dass sie anders ticken, habe ich nach fast drei Jahren in Peru auch schon an zigtausend Beispielen erlebt. Dass sie sich an anderen Dingen erfreuen als Deutsche, merkt man spätestens auf der ersten peruanischen Party, dass sie anders Auto fahren erschließt sich einem schon, wenn man aus dem Flughafengelände auf die „offene Rennstrecke“ fährt.... aber dass Peruaner auch anders niesen als Deutsche...?! Das kam dann doch etwas unerwartet!!! Ist aber so! Während der Deutsche gemeinhin ein mehr oder weniger lautstarkes, manchmal auch leicht sprühnebelhaftes HATTTT - - - SCHIIIIIIE in die Welt pusten, niest der Peruaner (ganz im Gegensatz zu seinem sonstigen Naturell...) leise, diskret und unheimlich schnell. Das hört sich ungefähr so an TSSSS – TSSS – TSSS – TSSS – TSSS – TSSS – TSSS. Das peruanische Niesen unterscheidet sich vom deutschen Niesen nicht nur im Laut und in der Lautstärke, sondern auch in der Häufigkeit. Mindestens 6-8 mal in Folge zischt der Peruaner da so leise vor sich hin.... TSS – TSS – TSS – TSS – TSS – TSS – TSS..... ist das nicht kurios? Was die Gene sich nicht alles für Details überlegt haben....

04.11.07

Erschütternd ist das nach wie vor...

Zwei Monate nach dem verheerenden Erdbeben an der Küste Perus bin ich vorgestern zusammen mit unserer kirchlichen Partnerorganisation CEAS erneut in das Gebiet ca. 200 Kilometer südlich von Lima gefahren, um mir erneut ein Bild von der Situation vor Ort zu machen.


In Zeitung und Fernsehen hatte ich in den vergangenen Wochen immer wieder das Lamento von der absolut mangelhaften Koordination der Akteure, von Misswirtschaft und Korruption gehört. Und in der Tat fehlt es ganz offenkundig bis heute an klaren Plänen und an Umsetzungsstrategien. Die verschiedenen Akteure sind untereinander verstritten oder verfolgen die irrsinnige Idee, alle Lorbeeren selbst einsammeln zu wollen, was zum Boykott jeglicher gemeinsamen Koordination führt. Das Resultat: die Menschen in den vom Erdbeben zu Schutt und Asche verwandelten Städten leben weiter in einer Situation des Notstands.

Das Aufräumen der Schuttberge geht nur langsam voran, überall blockieren Schutthaufen die Straßen und somit auch die weiteren Aufräumarbeiten. Es steht zu wenig schweres Gerät zur Verfügung, um Schnell mit dem Abriss und Wiederaufbau voranzuschreiten. In Pisco berichten mir die ehrenamtlichen MitarbeiterInnen der Kirchengemeinden, der Bürgermeister von Pisco habe den Vertrag mit dem Unternehmen, das für die Schuttbeseitigung beauftragt wurde, auf Stundenbasis aufgesetzt. Das Ergebnis gleicht einem Schildbürgerstreich – statt so schnell wie möglich mit den Aufräumarbeiten voranzumachen, versucht das beauftragte Unternehmen nun, die Aufräumarbeiten so langsam wie möglich durchzuführen.

Am Strand von Pisco haben entnervte Bürger inzwischen eine informelle Schutthalde eröffnet, aus deren Mitte ragt gerade noch so das vor dem Erdbeben aufgestellte Schild mit der stolzen Aufschrift: „Hier entsteht ein ökologisch-touristischer Rundweg der Stadt Pisco.“ Es sieht aus, als stünden dem Schild wie auch der Idee die Trümmer bis zum Hals...

Die verschiedenen involvierten staatlichen Institutionen überbieten sich darin, sich gegenseitig Knüppel zwischen die Beine zu werfen, so dass die Menschen von Regierungsseite inzwischen so gut wie gar nichts mehr erwarten. Ohnehin weiß kaum jemand, welche Vorschläge die öffentliche Verwaltung eigentlich zur Lösung der Notlage hat. Die Information fließt bruchstückhaft, über bürokratische Prozedere und Anforderungen sind die Menschen nur unzureichend informiert und versäumen es deshalb häufig, sich in wichtige Register einzutragen, um so einen Zugang zu staatlichen Hilfsleistungen zu garantieren.

Die Menschen vertrauen in erster Linie auf die Hilfe, die sie von Seiten der Kirche und der internationalen Entwicklungshilfeorganisationen erreicht.

Ein Pfarrer in Pisco hilft den Menschen ganz unbürokratisch mit kleinen Krediten in Höhe von 300-500 USD. Mit dieser Finanzspritze können sie sich einen einen kleinen Imbiss-Stand am Straßenrand finanzieren, eine in den Trümmern verloren gegangene Nähmaschine neu anschaffen, eine Betonmischmaschine für den Wiederaufbau der Häuser, Werkzeuge und andere technische Anschaffungen tätigen, um wieder ein kleines Einkommen zu erwirtschaften.

Die kirchlichen Institutionen wie Caritas und CEAS beliefern nach wie vor eine Vielzahl von kleinen Volksküchen mit Nahrungsmitteln, die die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrung gewährleisten. Damit Mütter von der Kinderaufsicht befreit sind, werden die Volksküchen inzwischen auch zu Kinderhorten ausgeweitet. Gemeinsam mit den Universitäten werden einfache Häuser aus Lehm und Bastmatten designt, die in den nächsten Monaten die zahlreichen Zelte ersetzen sollen, in welchen die Menschen seit dem 15.8. campieren.

Ein großes Problem stellt die Wasser- und Abwasserversorgung da, die in vielen Stadtteilen komplett zusammengebrochen ist.

In den nahenden Sommermonaten rechnen Experten mit einer wachsenden Zahl von Infektionskrankheiten aufgrund der katastrophalen Abwassersituation. Die Kirchen wappnen sich mit Medikamenten gegen Cholera.

Fragt man nach den Erfolgen der letzten zwei Monaten, so hört man von einer besseren Organisation der Bevölkerung. Die Volksküchen funktionieren und erfüllen eine wichtige Funktion. Der Druck auf die Behörden, endlich Gas zu geben, wächst. Die Einsicht, dass alle von einer guten Zusammenarbeit profitieren, offenbar auch.

Die Nachbeben, die die Menschen wochenlang in Angst und Schrecken versetzt haben, werden weniger und sehr viel schwächer. Weihnachten naht und damit ist eine neue Solidaritätswelle der Peruaner mit ihren Landsleuten in Pisco, Chincha und Ica zu erwarten. Schon jetzt wird ein Teil der Erdbebengelder für die traditionelle heiße Schokolade, den Panetone und ein paar Kinderspielsachen zu Weihnachten reserviert. Bleibt zu hoffen, dass das Fest der Liebe auch zu einem Fest der guten Zusammenarbeit wird und man begreift, dass Profilierungssucht in einer solchen Notlage nichts zu suchen hat!

Labels:


 
Counter