Wandern zwischen den Welten....

25.10.07

"Heute habe ich Ihnen Sonneschein bestellt...!!!"

Señor Tafur, der Wächter im braunen Pullover an unserer Haustür hat ein unglaubliches Talent, mich jeden Tag mit den gleichen schlichten Sätzen und seiner Freundlichkeit zu erfreuen. Eines unserer wichtigsten Gesprächsthemen ist – we sollte es anders sein – das Wetter. Auch wenn Selbiges sich in Lima nur selten ändert – 7 Monate ist es grau und kalt und 5 Monate ist es sonnig und warm – liefert es uns doch täglich neuen Gesprächsstoff. Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt, und da Señor Tafur inzwischen nur allzu gut weiß, wie sehr ich unter dem gräßlichen Grau leide, sagt er mir jeden Morgen, wenn ich aus dem Haus gehe: „Für heute habe ich Ihnen ganz viel Sonnenschein bestellt.“ Worauf ich meist entgegne: „Und – wann wird die Bestellung geliefert?“ Und er: „nur noch ein, zwei Stunden, dann werden Sie hier strahlend blauen Himmel sehen!“ was natürlich nur höchstselten wirklich der Fall ist, mir aber am Abend Gelegenheit gibt zu sagen: „Ihnen glaube ich doch gar nichts mehr – jeden Tag erzählen Sie mir was von Sonne und blauem Himmel und dann hängt doch wieder das gleiche Grau über mir wie jeden Tag.“ Worauf er entgegnet: „Aber für morgen habe ich Ihnen ganz viel Sonnenschein bestellt!!!“ Und wir lachen beide über dieses schöne Ritual und in der Tat vergesse ich darüber auch oft genug, wie graußlig Grau Lima an so vielen Tagen ist....

Und dann war da ja auch noch....Cartagena de Indias

...die knapp 1 Million Einwohner zählende Stadt ist eine der ersten Stadtgründungen der Spanier im Norden Lateinamerikas. Cartagena de Indias - also "Karthago von Indien" - ist von einer alten Stadtmauer umgeben und hat innerhalb dieser Mauern ihren spanisch-kolonialen Charakter bis heute bewahrt: dort gibt es zahlreiche Kirchen und Kathedralen, alte andalusische Paläste, in denen die zahlenmäßig kleine, in Bezug auf ihre Macht aber große spanische Bourgeoisie lebte. Heute sind in diesen Palästen die teuersten Luxushotels untergebracht und bescheren den Nachfahren der Spanier auch heute noch gute Einnahmen und Einfluss.

Die Lage in der Karibik und der Charme der Stadt haben sie zu einer der wichtigsten Touristenziele Kolumbiens gemacht. 1959 wurde Cartagena zum nationalen Kulturerbe erklärt und seit 1984 gehört die Stadt zum UNESCO-Weltkulturerbe.

Die Mehrheit der Einwohner Cartagenas sind Nachfahren afrikanischer Sklaven. Viele von ihnen leben in Armut in den vom Tourismus unberührt gebliebenen Außenbezirken, vor den Toren der Stadt. Tagsüber strömen sie in's touristische Zentrum und betteln oder verkaufen Früchte, Getränke, Postkarten...

Cartagena hat schöne Strände: warmes, klares Wasser, farbenfrohe Korallenriffe und tausende bunter Fische.

Karibische Straßenszenen: schwarze Frau, die süße Früchte verkauft

...und ein Arrepas-Verkäufer, der gleichzeitig sein Handy vermietet....

alte, koloniale Gassen - zum Durchspazieren wunderschön... in den weniger touristischen Außenbezirken meist aber sehr baufällig und marode

Der Platz der Dreifaltigkeit - wo Kirche, Kampf und Kultur zusammentreffen

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21.10.07

Hausarrest...

Am Tag des Censo 2007, der Volkszählung, liegt eine einzigartige, nie dagewesene Stille über den Straßen von Miraflores: kein Auto weit und breit, keine Taxis, keine Busse, keine Combis. Auch keine Radfahrer, Skateboarder oder Frauen mit Kinderwägen. Keine Eisverkäufer mit ihren trötenden Hupen, auch die Tamales-Frau, die sonst Sonntag vormittags immer ihre Runden dreht und mit lauten "Tamaaaaaaaales" -Rufen ihre Maisfladen anbietet, fehlt heute. Auf den Straßen und Plätzen herrscht gähnende Leere. Der Zeitungsstand um die Ecke hat geschlossen, und auch der Tante-Emma-Laden der Chinita, der sonst kein Ruhen kennt, bleibt heute zu. Supermärkte, Shopping-Malls, Kinos, Kneipen, Restaurants... alles zu! Das gibt's in Peru nicht mal an Weihnachten!!!

Die Stille wäre absolut....wäre da nicht meine Nervensäge von Nachbar, der diesen von oberster Stelle verordneten häuslichen Tag nutzt, um auf dem Balkon seine Wohnungstüren abzuschleifen.....gggrrrr.... ob ich rübergehe und ihn (...ganz spießig-deutsch...) anpflaume? Andererseits.... habe ich den Tag ja auch zum Heimwerkertag erkoren, wenngleich ich meine Arbeiten lautloser umsetzen kann. Also lasse ich ihn gewähren. So ganz ohne Zeichen von Leben wäre es ja auch ein bißchen unheimlich...

Ab und zu sehe ich die Volkszähler in ihren blauen Hosen und weisen T-Shirts von einem Haus zum nächsten gehen, und da klingelt es auch schon an meiner Tür und ein schüchterner junger Mann kommt mit seinem Fragebogen in meine Wohnung. Ich muss meinen Namen angeben und es folgt eine Reihe von Fragen zu meinem Familienstatus, zu meinem Bildungsniveau, zur Ausstattung meiner Wohnung, zu meinem Aufenthaltsstatus usw...

Nach 10 Minuten sind wir mit den Fragen durch und an meine Wohnungstür wird der Sticker "Vivienda censada" (registrierter Haushalt) geklebt. Raus darf ich trotzdem noch nicht... noch 6 Stunden Hausarrest, den ich mir mit telefonieren, kochen, Zeitung lesen, Mails schreiben genüsslich gestalte....

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19.10.07

Es begab sich aber zu der Zeit....

...dass ein Gebot von dem Präsidenten Garcia ausging, auf dass alle Welt geschätzet würde. Und diese Schätzung war zwar nicht die erste, aber eine sehr ernsthafte ihrer Art und geschah zu der Zeit, da sich die Nebel in Lima lichteten und in den Anden die ersten Regentropfen fielen. Und jedermann blieb zu Hause, auf dass er sich schätzen ließe, ein jeglicher in seiner Stadt...

...so beginnt die Geschichte des „Censo 2007“, der peruanischen Volkszählung. Sie knüpft damit an eine jahrtausendealte Tradition an und auch die Methoden, die hier in Peru zum Einsatz kommen, sind althergebracht, wenngleich nicht immer altbewährt: freiwillige Volkszähler werden am kommenden Sonntag mit Fragebogen und Stift bewaffnet von Haus zu Haus, von Wohnung und Wohnung gehen, und deren Bewohner zählen.

Die letzte Volkszählung liegt zwar erst zwei Jahre zurück, galt aber als gescheitert, weil die lieben peruanischen Bürgerinnen und Bürger offenbar wie die Hühner durcheinandergelaufen waren und die Zähler nachher nicht mehr durchblickten, wen sie nun schon gezählt hatten und wen nicht.

Diesmal soll das anders werden! Diesmal machen wir’s richtig, sagte sich Präsident Alan García und verhängte für den Zähl-Sonntag ein striktes Ausgangsverbot zwischen 8 Uhr und 18 Uhr. Das ist zwar verfassungswidrig, aber was soll's - mit der Verfassung nimmt es García auch in anderen Fällen nicht so genau... Man hat gefälligst zu Hause auf dem Sofa zu sitzen und zu warten, bis die Volkszähler die anwesenden Familienmitglieder, Hausmädchen, Hunde und Katzen gezählt haben. Und auch danach soll es erst mal kein Durcheinander auf den Straßen geben, um die Ergebnisse nicht zu verfälschen. Sonst schleicht sich da noch ein Gezählter in einen ungezählten Haushalt ein, und dann haben wir das gleiche Chaos wie beim letzten Mal.

Neben der schlichten Zählung der Personen werden auch Fragen zum Familieneinkommen, Bildungsniveau, Stromversorgung, Wasser- und Abwasseranschluss, Anzahl der Toiletten, Stereoanlagen, Microwellengeräte und DVD-Player in der Wohnung, Berufstätigkeit der Bewohner, Versicherungsangelegenheiten, Gesundheits- oder auch Krankheitsindikatoren abgefragt.

Auch Touristen, Zugezogene (wie ich...), Leute auf der Durchreise und Ausgewanderte werden gezählt. Alle, die sich am Sonntag im Lande aufhalten, müssen zu Hause respektive im Hotel bleiben, und wer doch einen triftigen Grund hat, zur Arbeit oder auf Reisen gehen zu müssen (Ärzte, Hotelpersonal, Sicherheitskräfte etc.), konnte sich vorab registrieren lassen und seine Angaben machen.Für die Statistik des Landes ist der kommende Sonntag ein bedeutender Tag, für Datenschützer ist es das reinste Horrorszenario, da die eingeholten Daten in keinster Weise geschützt werden. So sollen explizit Wirtschaftsunternehmen von den eingeholten Informationen profitieren können, und warum dann nicht auch gleich den Geheimdienst mitbedienen... ??? Uns Ausländern wurde folglich auch geraten, nur die Basisfragen zu beantworten, aber keine einkommensrelevanten Informationen preiszugeben.

Die Peruaner machen aus der Not der quasi Ausgangssperre eine Tugend und erklären den Tag zum Familienfest. Man sieht deshalb gerade außergewöhnliche Verproviantierungsaktionen für den kommenden Sonntag, neben Reis und Hühnchen werden schnell auch noch die neuesten Kinofilme als Raubkopien erstanden, um den Tag heil zu überstehen. Selbst pubertierende Jugendliche werden den Sonntag mit Eltern und Großeltern gemeinsam verbringen müssen. In gewisser Weise hat die Veranstaltung also etwas von Weihnachten – der Tag im Jahr, an dem alle im trauten Familienkreise zusammensitzen und keine alternativen Pläne verfolgen.... es wäre ja spannend, am Tag nach dem Censo nochmal eine Umfrage zu machen, wie die Leute den Tag überstanden haben und welche langfristigen Folgen das nach sich ziehen wird :-)))

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14.10.07

Lote Milch

Die kleine Chinesin, die gleich um die Ecke ihren bis an die Decke mit Dosen, Flaschen und Verpackungen vollgestopften Lebensmittelladen betreibt, bringt mich immer wieder zum Schmunzeln. Es ist eigentlich immer das gleiche, was ich dort kaufe – Papayas, Avocados, Tee, Butter, Marmelade und Limonen, Orangen und Milch. Und zwar nicht irgendeine Milch, sondern „Leche Gloria“, in einem roten Kunststoffbeutel. Und immer, wenn ich also bei der Chinita einkaufe und meine Bestellung aufgebe, fragt sie sicherheitshalber nochmal nach: „Leche Glolia – die im loten Beutel?“ und ich grinse und sage: „Ja, genau die!“

Sie sagt auch Olangen („nalanjas“) und Malmelade („melmelada“), Malgaline („malgalina“) und Schwalzel Tee (té pulo).

Ich finde das unglaublich sympathisch, dieses Cliché von einem chinesischen Akzent !!!

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