Wandern zwischen den Welten....

23.06.07

Landung in Deutschland

Ich sitze im Flugzeug. Wieder einmal neigt sich eine dieser schier endlos langen Interkontinentalreisen ihrer Landung entgegen. Unter uns liegt schon Europa und ich schaue neugierig hinab auf diesen Kontinent, „meinen“ Kontinent.... Alles liegt hier so nah beinander, fällt mir mal wieder auf.... Eben waren wir noch über England, jetzt sind wir schon über Frankreich. Dann, nur eine halbe Stunde entfernt, Deutschland.

Schon die Wolkentürme über den deutschen Landen sehen vertraut aus – solche Wolken gibt’s nirgendwo sonst auf der Welt, nicht in Peru, nicht über den Anden und nicht über dem Amazonas, nicht über dem großen weiten Atlantik und nicht über den USA. Nirgends sehen die Wolken so watteweich und bauschig aus wie hier über Mitteleuropa, nirgends türmen sie sich wie verzauberte Schlösser in den Himmel und bilden bizarre Wolkenlandschaften.

Darunter grüne, braune und gelbe Felder, wie kleine Flickenteppiche, eins neben dem anderen, viereckig, fruchtbar, klein und beschaulich.... schönes, ordentliches, aufgeräumtes Deutschland. Ich schüttle den Kopf bei diesem Anblick, schaue aus 800 m hinab und denke: Zuhause!! Sanfte Hügel. Grüne Felder. Wälder. Das ist Deutschland.
Alles ist sauber angeordnet. Städte. Dörfer. Rote Ziegeldächer. Die Sonne scheint. Schön, zu Hause zu sein! In der S-Bahn: Was für ein grünes Land!! Was für ein unglaublich grünes Land!!! Der Gedanke will gar nicht wieder aus meinem Kopf verschwinden. Erstaunt betrachte ich „mein“ Land, seine Schönheit beeindruckt mich zutiefst. Was Peruaner wohl denken mögen, wenn sie hier landen? Alles so grün. Alles so sauber. Kein Staub auf den Dächern, keine Abgase in der Luft. Alles ordentlich – rein – aufgeräumt – still. Keiner spricht in der Bahn, alle lesen – Bücher, Zeitungen, Zeitschriften. Ein lesehungriges Volk, diese Deutschen. Aber nicht gerade gesprächig. Auch die Menschen: sehr aufgeräumt. Ordentlich sitzen sie auf den Sitzbänken. Ist das alles echt, oder ist das ein Spielzeugland?

Die S-Bahn flitzt durch die Landschaft. Ich denke an Lima, die Avenida Arequipa bei mir um die Ecke, eine der Hauptverkehrsadern in Miraflores, vollgestopft mit Combis, Bussen, Minibussen. Alte, stinkende, schnaubende Gefährte, die Türsteher stehen in der halboffenen Tür und rufen die Route auf die Straße hinaus. Eine S-Bahn in Lima... man könnte innerhalb von 5 Minuten in Barranco sein. In 10 Minuten in Chorrillos. In 10 Minuten im Zentrum von Lima. Welch seltsame Vorstellung....

Hauptbahnhof Stuttgart. Ich kämpfe mich mit meinem Gepäck auf den Bahnsteig. Kein Gepäckträger eilt mir entgegen. Gepäckwagen? Fehlanzeige. In der Bahnhofshalle finde ich schließlich einen. 50 Cent verlangt er, bevor er den Dienst antritt.
„Kein Wunder, dass hier alles so aufgeräumt ist“, schießt es mir durch den Kopf.... „wenn man hier immer gleich zur Kasse gebeten wird, für jedes kleine bißchen Unordnung, das man eventuell verursachen könnte“. Woher nimmt der eben aus dem Ausland eingereiste Besucher die 50 Cent für den Gepäckwagen – am Flughafen? Am Bahnhof? Sehr gastfreundlich wirkt das erst mal nicht.... Deutschland eben.. hier muss alles seine Ordnung haben. Auch im Zug: dort sitze ich auf einem offenbar reservierten Platz. Der ganze Zugwaggon ist leer. Trotzdem besteht der junge Mann darauf, dass er auf seinem reservierten Platz sitzen muss. Ich verkrümle mich – nicht, ohne im Geiste die Stirn zu runzeln. Auch das ist Deutschland. Die schönen, sauberen, ordentlichen, deutschen Lande haben einen Preis....

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22.06.07

Stopover in Atlanta - Besuch im Aquarium

Allen Weltenbummlern, die mal einen längeren Stopover in Atlanta zu überbrücken haben, sei das Ocean Aquarium (eines der größten der Welt) allerwärmstens empfohlen. Mein 8-stündiger Aufenthalt wurde so zu einem äußerst kurzweiligen und bunten Ereignis !!!





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14.06.07

Sprechende Mauern, Steine und Berghänge

Was anderswo das Plakat, ist in Peru die Wand: Werbung, Pamphlete, Propaganda – alles findet sich auf Häuserwänden, Mauern, Bergrücken und was sonst der Beschriftung standhält.
So fährt man durch regelrecht sprechende Dörfer und Landschaften:

Ein Haus fordert „Landwirtschaft JA – Bergbau NEIN“, das nächste posaunt sein „Bergbau ist Fortschritt“ in die Welt. „Soziale Mobilisierung“ schallt es da von der Wand eines Latrinenhäuschens - etwas aus dem Kontext gerissen....

In ländlichen Gegenden findet man bunte Werbung für diverse Spritzmittel und Impfstoffe für Kühe, Schafe und Lamas.

Vor den Wahlen letztes Jahr eskalierte die Beschriftungs- manie und auf so manchem nackten Fels inmitten der Landschaft, fernab von gut und böse, sprang einem da plötzlich ein Wahlslogan von Alan Garcia entgegen oder das Wappen von Ollanta Humala’s Partei.

Während alle großartig im Beschriften sind,

scheint sich für die Beseitigung der Propaganda aber niemand zuständig zu fühlen... Eine Mauer fordert somit auch beharrlich weiter zur Wahl des ehemaligen peruanischen Präsidenten Fujimori auf, der derzeit in Chile seiner Ausflieferung nach
Peru und seines Gerichtsverfahrens wegen Menschenrechtsverletzungen und Korruption harrt.

Auch Grünflächen können sich der Politisierung bzw. Kommer- zialisierung nicht wehren und so strahlt über der Stadt Cusco stolz der in den
Berghang gekratzte Aufruf „Es lebe das
glorreiche Peru“, während in Lima die Rasenflächen entlang der Stadtautobahn mit Werbung für Milchprodukte, Banken oder Versicherungen „bepflanzt“ sind.
Es würde mich überhaupt nicht wundern, wenn ich bei meiner nächsten
Wanderung in den Anden einen Stein umdrehe, der unten mit der Aufschrift „Trink Coca Cola“ beschriftet ist, oder im Urwald ein Krokodil vorbeischwimmt, das auf seinem Rücken Werbung für
Zahnpasta macht!







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13.06.07

Verstehen - Nicht verstehen....

Neulich habe ich an einem Workshop einer Partnerorganisation mit ihren „Zielgruppen“ teilgenommen. Neben mir sitzt eine Frau mit einem kleinen Kind auf dem Schoß, etwa 10 Monate alt, ein süßer kleiner Knopf, und so brav. Der Trainer des Workshops visualisiert seinen einführenden Vortrag mit einer Powerpointpräsentation. Es geht um Konfliktmanagement. Die Frau neben mir ist ganz aufmerksam, gespannt. Andächtig lauscht sie dem Vortrag, der mit einem kleinen Text aus dem Lukasevangelium beginnt. Ein Bild dazu auf der Power-Point-Folie, und der Text. Die Frau schaut mich schüchtern lächelnd an. Lehnt sich zu mir herüber. Deutet auf das Notizbuch auf meinem Schoß. Ob ich ihr vielleicht den Text abschreiben könnte? Sie könne nicht lesen und nicht schreiben....beschämtes Lächeln... und wolle das doch so gerne mit nach Hause nehmen.... Ich schreibe ihr also die Bibelstelle ab. Sie bedankt sich herzlich und schiebt das Stück Papier in den Ausschnitt ihres Pullovers.
Als nächstes fragt der Moderator, was ein Konflitk ist. Jeder Teilnehmer soll ein Kärtchen mit seiner Definition schreiben. Die Frau schaut mich wieder mit großen, fragenden Augen an. Ich erkläre ihr die Frage nochmal, mit anderen Worten: was ist ein Konflikt? Wann weißt Du, dass Du einen Streit hast? – mit Deinem Mann, mit Deiner Nachbarin? Was passiert dann? - "Konflikt ist, wenn wir uns nicht verstehen", sagt sie dann bestimmt. Ja. Ich schreibe es für sie auf und sie hängt das Kärtchen stolz an die Wand und wiederholt laut vor der ganzen Gruppe „Konflikt ist, wenn wir uns nicht verstehen“.... Und ich verstehe plötzlich ganz Vieles... vor allem verstehe ich, wieviel ich oft nicht verstehe.... diese kurze Episode macht mich traurig, denn sie steht stellvertretend für so Vieles... es ist alles nicht so einfach....

Klimawandel in aller Munde...

In der Tür des Versammlungssaals der Stadtverwaltung von Piura drängen sich dicht an dicht die Menschen, dunkelhaarige Köpfe blicken Richtung Podium. Aus dem Saal dringt die Stimme des Referenten. Ich bahne mir einen Weg durch die Menge, hinein in den Saal, der bis auf den letzten Sitzplatz voll belegt ist. An die Wände gelehnt stehen Männer, Frauen, Kinder in ihren Schuluniformen. Das Thema der Veranstaltung, die so viele Menschen anzieht, lautet „Der Klimawandel und seine Auswirkungen auf unsere Region“. Mit so einem regen Besucherstrom hatte die Diakonie für Gerechtigkeit und Frieden, eine Einrichtung der katholischen Kirche in Piura und Partnerorganisation von Misereor, nicht gerechnet. Ich finde ein Plätzchen an der Wand, von wo aus ich halbwegs freie Sicht auf die Leinwand habe, auf der Ing. Gustavo Cajusol, Vertreter der unabhängigen Behörde für Wassermanagement Chira Piura gerade seinen Vortrag visualisiert:

Die Auswirkungen des Klimawandels sind in der Region Piura keine Zukunftsmusik: Innerhalb von nur 15 Jahren gab es zwei katastrophale El-Niño-Phänomene: das erste 1982/83 und das zweite 1997/98. El Niño tritt in den peruanischen Sommermonaten zwischen Dezember und März auf und bedeutet, dass es aufgrund einer außergewöhnlichen Erwärmung der Meeresströme vor der Küste Perus zu starken Regenfällen und damit zu heftigen Überschwemmungen im Norden Perus kommt. Während des Niño multipliziert sich die Niederschlagsmenge um ein 10-50faches des normalen Niederschlags. Im Norden des Landes produziert El Niño Erdrutsche und verstärkt die Bodenerosion. Häufig kommt es zu Epidemien aufgrund des stark verunreinigten Wassers.

Im Süden Perus bleibt während des Niño-Phänomens der Regen häufig ganz aus und es herrscht Dürre.

Laut Statistik trat das El-Niño-Phänomen nur alle 50-100 Jahre auf. Ingenieur Cajusol erklärt, dass die El-Niño-Phänomene durch die weltweit ansteigenden Temperaturen in Zukunft häufiger auftreten werden und Peru deshalb vom Klimawandel besonders betroffen sein wird. Überschwemmungen und Dürren werden jeweils deutlich stärker ausgeprägt sein.

Die Dramatik der Situation hat die Sensibilität für das Thema offenbar geschärft. Neben den Bauern und Kleinproduzenten von Piura sind auch die Regionalregierung und andere Behörden sowie zivilgesellschaftliche Institutionen bei der Veranstaltung vertreten.

Die Verfügbarkeit von Wasser, im trockenen Wüstenstreifen der peruanischen Küste schon von jeher ein sehr knappes Gut, wächst durch den Klimawandel zunächst trügerischerweise an, weil die Gletscher mit rasender Geschwindigkeit abschmelzen. 22% der gesamten Gletscheroberfläche sind in den letzten 35 Jahren bereits abgeschmlozen, dies entspricht dem Wasserverbrauch der 9-Millionen-Stadt Lima von 10 Jahren. Nach aktuellen Berechnungen werden bis zum Jahr 2015 die gesamten peruanischen Gletscher unterhalb von 5.000 m. ü. NN verschwinden. An der peruanischen Küste lebt der Großteil der Peruaner – in der Hauptstadt Lima, die ein Drittel der Gesamtbevölkerung Perus beherbergt, und weiter in den Städten entlang der Küste: Chiclayo, Chimbote, Trujillo, Tumbes u.a. Das Küstengebiet ist für die Auswirkungen des Klimawandels besonders anfällig. Wasser ist hier schon jetzt ein Problem – die Szenarien für die Zukunft sind besorgniserregend.

Der Klimawandel hat vor allem zwei Ursachen: zum einen wird durch das Verbrennen fossiler Brennstoffe wie Kohle, Benzin, Holz etc. Kohlendioxid freigesetzt, das für den Treibhauseffekt verantwortlich ist. Zum anderen – und hier spielt Peru eine besondere Rolle – werden die Kapazitäten zur Umwandlung von CO2 in Sauerstoff durch den massiven und schnell voranschreitenden Abholzungsprozess weltweit kontinuierlich reduziert. Der Amazonas, der größte zusammenhängende Regenwald der Welt, stellt ein Drittel der Fläche Perus dar. Doch der Holzeinschlag ist enorm – pro 60 Minuten wird dort die Fläche von 43 Fußballfeldern abgeholzt. Täglich, stündlich. Somit ist Peru trotz geringer Industrialisierung und vergleichsweise wenig Ausstoß von Abgasen ein wichtiger Mitverursacher des Treibhauseffekts.

Die Tatsachen liegen auf dem Tisch – eine Veränderung herbeizuführen ist schwierig. Die Ursachen für diese massive Abholzung sind komplex, und letztlich handelt es sich nicht selten sogar um legitime, nachvollziehbare Interessen, die zu diesem in der Summe völlig unlegitimen Raubbau an der Natur führen.

Dass sich in Piura so viele Menschen für das Thema Klimawandel interessieren, hängt nicht zuletzt auch mit einem derzeit viel diskutierten Bergbauprojekt zusammen, das in der Region für Konflikte sorgt: eines der größten Kupferbergbauvorhaben Perus, das „Projekt Rioblanco“, soll hier in den nächsten Jahren implementiert werden. Ist die erste Mine erst einmal eröffnet, werden weitere Minenprojekte folgen. Insgesamt sind in nur 4 Provinzen der Region Piura ca. 200.000 ha Land für den Bergbau konzessioniert, in manchen Distrikten beanspruchen die Bergbau-Konzessionen mehr als die Hälfte des Territoriums. Verschiedene transnationale Bergbaukonzerne stehen bereits in den Startlöchern, um die wertvollen Mineralien abzubauen.

Dort, wo das Rioblanco-Projekt entstehen soll, liegt gleichzeitig einer der letzten Nebelwälder Perus (Páramos), Quellgebiet für mehrere Flüsse, die zum Teil nach Osten hin in den Amazonas münden und den gesamten Kontinent überqueren oder nach Westen hin in den Pazifik fließen. In dem aus biologischer Sicht hochsensiblen Gebiet leben Tapire, die letzten Brillenbären und eine ganze Reihe anderer seltener Tierarten. Der World Wildlife Fund (WWF) hat eine Studie erstellt, in der er die Fragilität des Ökosystems untersucht und zu dem Schluss kommt, dass die gesamte Zone aufgrund ihrer reichen Flora und Fauna und der Vulnerabilität dieser Biodiversität unter Naturschutz gestellt werden sollte.

Die Verbindung von Bergbau und Klimawandel wurde bisher selten hergestellt. In der Veranstaltung aber wird der Zusammenhang vom Publikum sofort erkannt. Die meisten Fragen aus dem Publikum richten sich daher auch auf das geplante Bergbauprojekt Rioblanco. Bedeutet die Ausbeutung der Kupfervorkommen nicht zunächst einmal das Abschälen der Waldbestände und große Erdbewegungen? Kann das tatsächlich jemals wieder aufgeforstet werden, wie das Unternehmen großspurig verspricht? Wenn die Wasserquellen erst einmal versiegt sind – kann man sie jemals wieder zum Leben erwecken? Wissenschaftler sind sich einig, dass das nicht möglich ist. Deshalb wäre ein einzelnes Bergbauprojekt in der Region, schon eine Sünde. Ein ganzer Bergbaudistrikt, wie er auf den Plänen des Bergbauministeriums bereits existiert, wäre das Ende eines Naturparadieses.

Das Publikum fragt auch: Was bedeutet das Bergbauprojekt für die Kooperativen, die an Hängen der Anden ökologischen Café, Mangos, Limonen und Zucker für den Export produzieren? Ihr Erfolg widerspricht der Ansicht, dass es in der Region keine besseren Alternativen als den Bergbau gibt. Die Region hat Potenzial für nachhaltigere Entwicklungsmodelle als den Kahlschlag, den der Bergbau bedeutet. Nach Auskunft des Präsidenten der Produktionskooperative Cepicafe, Luis Loja, kann die Nachfrage nach Öko-Kaffee aus der Region von den derzeitigen Produzenten nicht gedeckt werden. Derzeit sucht Cepicafé aktiv nach neuen Produzenten, die sich ihrem Entwicklungsmodell anschließen!

Auch die Referenten auf der Veranstaltung der Diakonie für Gerechtigkeit und Frieden plädieren für ein Umschwenken und Umdenken Richtung nachhaltige Entwicklungsstrategien auf ökologischer, ökonomischer, sozialer und politischer Ebene. Der Biologe Luis Albán vom Proyecto Páramo Andino fordert den Erhalt der Biodiversität und eine nachhaltige Nutzung von Ressourcen und Ökosystemen. Eine vernünftige Raumplanung, die in Peru bisher nur in ganz wenigen Zonen existiert, ist dafür so unerläßlich wie die Priorisierung von ökologischen Ressourcen vor ökonomischen Ressourcen in spezifischen Gebieten. Umwelt- und damit Klimaschutz muss auf die politische Agenda gesetzt werden und als Querschnittstheme in allen Sektoren verankert werden. Lokale und regionale Regierungen müssen aktiv in die Verantwortung einbezogen werden. Dahin ist es in Peru noch ein langer Weg. Obwohl es auf dem Papier diverse Vorschläge für nationale und regionale Strategien zur Anpassung an den Klimawandel gibt sowie konkrete Ideen, wie die Bevölkerung für das Thema sensibilisiert werden kann, scheitert die Umsetzung bisher vor alllem am fehlenden politischen Willen, sich des Themas wirklich anzunehmen. Die bestehende Umweltgesetzgebung fällt bei der praktischen Umsetzung nicht selten anderen Prioritäten zum Opfer. Ein Umweltministerium gibt es nicht, der Schutz der Umwelt ist bisher eine nachgeordnete Aufgabe der verschiedenen Ministerien.

Die Länder des Nordens und internationale Institutionen wie Weltbank und IWF sind mit ihren Schuldenforderungen an Peru und den vorgeschlagenen Programmen zur Wirtschaftsförderung nicht unschuldig an dieser einseitigen Prioritätensetzung. Eine nachhaltige globale Entwicklung muss vom Norden genauso mitgetragen werden wie vom Süden. Dabei müssen systemische Wechselwirkungen in den Blick genommen werden. Unternehmen aus dem Norden müssen dafür ebenso Verantwortung übernehmen wie die Regierung und Bevölkerung Perus.

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A propos Klimawandel !!!

Lima ist bekanntermaßen die Hauptstadt Perus
Und Peru liegt in Südamerika
Das Nachbarland im Norden heißt Ecuador, weil der Äquator durch das Land läuft
Peru ist folglich nicht weit vom Äquator entfernt
Es liegt exakt hier: 77º 03' W 12º 03' S

In den Wintermonaten von Mai bis Oktober legt sich eine dicke Nebeldecke über Peru und taucht die Stadt in greuliches Grau. Nur selten mal erlaubt sie einem Sonnenstrahl, sich den Weg in die Straßen und Plätze von Lima zu bahnen. Während es im Norden des Landes zur gleichen Zeit angenehm warm bis schweißtreibend heiß ist, klappern wir in Lima unter dieser feucht-kalten, grauen Nebelschicht mit den Zähnen.

Kein Mensch versteht, warum die Spanier damals, im 15. Jahrhundert, ausgerechnet dieses Nebelloch als Sitz für ihr Vizekönigreich ausgewählt haben??!!?? Noch heute verfluchen knapp 9 Millionen Limeños sie dafür!!!!

Derzeit sinken die Temperaturen auf 13 Grad – das sind gefühlte 7 Grad, maximal. In normalen Wintern sind es mal 16 oder 15 Grad. Dieses Jahr ist es (noch!) kälter als sonst :-((((

Zentralheizung gibt es hier nicht, ich improvisiere also mit einem mobilen Gasofen, Wärmeflasche, dicken Fleecepullis...hin und wieder finde ich vor einem befreundeten Kamin Asyl.

Mein treuer Freund, der Luftentfeuchter, der natürlich nie wirklich ganz Herr der Lage wird, weil die Fenster nicht dicht sind und durch alle Ritzen das feuchte Kalt reinkriecht, schaffte es heute, der Luft in meinem Wohnzimmer in einer Stunde 1,5 Liter Wasser zu entziehen! REKORD!!! Hurra .... :-(((

Also bei allem Ärger über den Klimawandel – wenn sich das hier mal ändern würde, wäre - glaube ich - niemand so richtig traurig drüber...

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12.06.07

Bergbauprojekt Majaz – Segen oder Fluch für Huancabamba?

Staubwolken umhüllen den schweren, allradbetriebenen Pickup-Truck, während wir durch die trockene Wüste Piuras fahren. Die geteerte Straße haben wir seit einer halben Stunde hinter uns gelassen, vor uns liegen noch gut 5 Stunden auf holpriger Piste. Die Landschaft präsentiert sich zunächst noch graugelb und trocken, je höher wir uns die Anden hinaufarbeiten, um so feuchter und grüner wird es, um so matschiger aber auch die schmale Piste und um so flauer das Gefühl in meiner Magengrube beim Anblick des steil neben uns abfallenden Hangs.

Wir sind unterwegs von Chulucanas nach Huancabamba, Hauptstadt der gleichnamigen Provinz in der Region Piura und gleichzeitig eine der ärmsten Gegenden im Norden Perus. Um nach Huancabamba zu kommen, arbeiten wir uns von knapp über Meeresniveau hinauf auf über 3000 m Höhe und fahren dann wieder hinab in ein fruchtbares Tal, auf etwa 1900 m über dem Meer. Am Wegrand liegen vereinzelte Weiler, kleine Gehöfte, ärmliche Lehmhäuser mit provisorisch zusammengezimmerten Türen. Das Tiefland Piuras ist heiß, trocken und staubig. In den Höhen der Anden ist die Vegetation üppig durch den häufigen Regen, es kann aber auch bitter kalt werden, vor allem in den Wintermonaten von Juni bis August. Das Land ist fruchtbar, aber die Leute sind arm. Meist leben sie von der Landwirtschaft, bauen Mais und Kartoffeln an, wie ihre Großväter das auch getan haben, immer das gleiche, Jahr für Jahr. Gewonheiten zu verändern ist schwer, auch wenn es noch so sinnvoll wäre...

Huancabamba ist ein Städtchen mit knapp 20.000 Einwohnern. Es mutet friedlich an, wie es da so malerisch im Talkessel unter uns liegt. Doch seit das Bergbauunternehmen Majaz S.A., eine peruanische Tochterfirma eines inzwischen in chinesischer Hand befindlichen Bergbauunternehmens, seine Explorationsarbeiten in der Gegend aufgenommen hat und dort mit dem „Projekt Rioblanco“ in den nächsten 20-30 Jahren 220.000 Tonnen Kupferessenz pro Jahr abbauen will, ist es mit dem Frieden in Huancabamba und den benachbarten Provinzen vorbei.

Durch die Bevölkerung geht ein tiefer Riss: Die einen werden mit dem Begriff „ambientalistas“ (Umweltschützer) zusammengefasst und vertreten das Lager der Minengegner. Die anderen schimpft man die „mineros“, diejenigen also, die die Mine befürworten und sich (laut ihrer Argumentation) einsetzen für Investition und Fortschritt und dafür (laut Argumentation der ambientalistas) traditionelle kulturelle Werte und die Umwelt zu opfern bereit sind. So die argumentativ sehr verkürzte schwarz-weiß-Sicht der Dinge. Die Realität hingegen ist – wie so oft – viel komplexer und läßt sich nicht in ein bis zwei plakativen Phrasen zusammenfassen....

Der Streit zwischen den zwei Lagern existiert nicht nur in den Köpfen der Menschen, er manifestiert sich auch sofort beim Blick auf die Häuserwände in der Region: das Bergbauunernehmen hat vor einigen Wochen mit einer Werbekampagne für das regional wie auch national umstrittene Megaprojekt begonnen und seine Slogans auf Häuserwände, Mauern und Schilder gepinselt: „Rioblanco – die wahre Zukunft der Region Piura“, ist dort zu lesen. „Arm bleiben oder mit dem Kupfer reich werden“ „Rioblanco – damit gewinnst Du, damit gewinnt Piura, damit gewinnt Peru“ „Rioblanco – das Beste, was die Region zu bieten hat“ „Rioblanco ist Fortschriftt – das ist die einzige Wahrheit!“ – dies nur einige der vielen Slogans, die die Häuserwände zieren.

80 Soles zahlt das Unternehmen denen, die ihre Hauswand zur Verfügung stellen, das sind 20 Euro, für viele das täglich Brot für eine ganze Woche. In einer armen Region läßt man sich das nicht so schnell entgehen... Um die notwendige soziale Lizenz der Bevölkerung in der Region zu erhalten, verteilt das Bergbauunternehmen kleine Geschenke, installiet in den armen Gehöften Herde mit Ofenrohren, die weniger Holz verbrauchen und die Hütte nicht mehr mit beißendem Rauch füllen.

Auf der anderen Seite haben Umweltschutz- organisationen, die in einer „Verteidigungsfront für die Entwicklung des Nordens“ organisierten Basis- organisationen und diverse Nichtregierungs- organisationen eine Gegenkampagne initiiert, die ihrerseits die Häuserwände mit dem Spruch „Lüg’ mich nicht an!“ plakatieren. „Die Mine greift uns an und gefährdet unsere Lebensgrundlage“. „Alles nur Lüge“ so die Antwort auf die Rio-Blanco-Lobpreisungen.

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11.06.07

Raus auf's Campo!!

Projektbesuche auf dem Land – immer wieder anstrengend, immer wieder faszinierend...

Mein jüngster Projektbesuch bei einer Partnerorganisation hat mich mal wieder in einen der hintersten Winkel Perus geführt. Diese Reisen gehören ja in gewisser Weise zu meinem Arbeitsalltag hier – doch zur Routine werden sie nicht. Dazu sind sie einfach zu einzigartig. Die Landschaften – die Menschen – die Problematiken – die Gespräche. Man taucht ein, ganz und gar, und wenn ich dann wieder hier in meiner Wohnung in Lima auftauche, fühle ich mich irgendwie durch den Wind, froh, zu Hause zu sein, froh aber auch, immer wieder die Möglichkeit zu haben, solche Reisen unternehmen zu können, in Welten vorzustoßen, die jedem noch so neugierigen Touristen verschlossen bleiben.

Bei aller Unterschiedlichkeit haben diese Projektbesuche auf dem Land aber auch Gemeinsamkeiten: in der Regel beginnen sie damit, dass mich ein Vertreter der von Misereor unterstützten Institution am Flughafen oder am Busbahnhof in der Hauptstadt der Region abholt. Meist im allradbetriebenen Pick-Up-Truck (Marke Toyota), das Gefährt, das quasi das Markenzeichen aller NGOs ist – vermutlich weltweit.

Wir fahren zur betreffenden Institution, dort gibt es meist eine erste Begrüßungsrunde, man stellt sich vor, tauscht sich über Ziele und besondere Anliegen des Besuchs aus, isst noch was, steigt dann zu viert oder fünft oder sechst in den inzwischen vollbepackten Truck und fährt los. Zu Beginn der Fahrt ein Gebet und die Bitte um Gottes Segen – ein Ritual, das mich am Anfang immer überraschte und inzwischen fehlt es mir, wenn es nicht stattfindet. Anfangs sind die Straßen noch asphaltiert, gehen dann aber alsbald in Schotter- oder besser Schlaglochpisten über. Da unsere Projektpartner meist in den entlegeneren Gegenden arbeiten, kann die Fahrt schon mal 5 bis 8 Stunden dauern (ohne dass man dabei beträchtliche Distanzen zurückgelegt hätte).

Dann kommt man an.

Einigermaßen durchgeschüttelt und in der echten „Campo-Stimmung“.

Bei kirchlichen Institutionen erfolgt die Unterbringung in einem Centro Parroquial, unter dem bescheidenen Obdach der Kirche. Dort erwartet mich ein nüchternes Zimmer mit einer nicht näher zu inspizierenden Matratze, Decken, wenn alles gut geht zwei Leintücher, meist ein zum Genickbrechen geeignetes Kissen in Brettform. Ab und zu teilt man das Bett mit lästigen Flöhen.

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05.06.07

Kundgebung vor der deutschen Botschaft in Lima anläßlich des G8-Gipfels

Etwa 1500 Menschen versammelten sich heute vor der deutschen Botschaft, um anläßlich des G8-Gipfels in Deutschland für gerechtere Handelsstrukturen, die Erleichterung der Schuldenlast Perus und für eine nachhaltige globale Umweltpolitik zu demonstrieren. Unter den Demonstranten sind Schulkinder, soziale Bewegungen, Volksküchen, Gesundheitsorganisationen, NGOs, Vertreter nationaler Netzwerke zur Armutsbekämpfung und für soziale Gerechtigkeit, Fairhandelsorganisationen und andere mehr.

Auf Fähnchen, Bannern und Luftballons fordern die Demonstranten eine „Weltwirtschaft im Dienste der Menschen – nicht Menschen im Dienste der Weltwirtschaft“, sie rufen „Für gerechten Handel und nachhaltige Entwicklung“, „Weniger Schuldentilgung – mehr Menschenrechte“ und „Weniger Korruption – mehr soziale Investition“ und stellen fest „1,2 Milliarden Menschen weltweit überleben mit weniger als 1 USD pro Tag“.

Eine 12-köpfige Kommission aus Vertretern von Kirche, Zivilgesellschaft, Hilfswerken und NGOs erläutert in einer Sitzung dem deutschen Botschafter Dr. Christoph Müller die zentralen Anliegen der Demonstranten:

In Peru fließen nach wie vor jährlich 25% des Staatshaushalts in Schuldentilgung, in den Bildungssektor dagegen gehen nur 3% des Haushalts.

Die Auslandsverschuldung Perus beläuft sich auf über 27 Milliarden USD.

* Trotz des anhaltenden Wirtschaftswachstums leben in Peru nach wie vor 54% aller Menschen in Armut oder extremer Armut. Das Wirtschaftswachstum kommt nicht bei den Armen an, der sogenannte Trickle-Down-Efect wird nicht durch eine die Wirtschaftspolitik begleitende Sozialpolitik verstärkt. Die soziale Kluft zwischen arm und reich wird in Lateinamerika insgesamt und auch in Peru größer statt kleiner.

* Peru wird aufgrund seiner geographischen Charakteristika vom Klimawandel extrem betroffen sein und braucht dringend Unterstützung bei den Anpassungsbemühungen an die sich bereits abzeichnenden klimatischen Veränderungen.

* Mit Blick auf den Klimawandel fordern die Demonstranten außerdem die Umsetzung des Kyotoprotokolls und betonen ihre ausdrückliche Unterstützung für das von Bundeskanzlerin Angela Merkel propagierte Ziel, den globalen Temperaturanstieg auf zwei Grad zu begrenzen. Desweiteren fordern sie dringend Maßnahmen zur Verhinderung eines noch weiterreichenden Temperaturanstiegs.

Der Botschafter reagiert auf die vorgetragenen Forderungen mit prinzipieller Zustimmung. Die Demonstranten und die Regierung der BRD stimmten in ihrer Analyse und ihren Forderungen überein – auch die Bundesregierung setze sich für eine nachhaltige Globalisierung mit sozialen Zügen ein. Außerdem unterstütze die Bundesregierung die Öffnung der europäischen Märkte für Produkte aus den Andenländern.

Beim Thema Auslandsverschuldung findet sich jedoch kein Konsens – während der Botschafter die Ansicht vertritt, dass die derzeitige Schuldenlast Perus vertretbar sei, betonen die Kommissionsmitglieder, dass die urspürnglichen Kredite von Peru schon um ein Vielfaches zurückgezahlt wurden und nur die hohe Zinslast das Land nach wie vor in der Schuldenfalle gefangen hält. Die Konsequenzen aus dieser großen Schuldentilgungslast sind fehlende Mittel in den für eine nachhaltige und integrale Entwicklung essentiellen Sektoren wie Bildung, Gesundheit und Soziales. Der Botschafter teilt mit, dass die deutsche Botschaft in Lima sich weiter dafür einsetzen wird, dass der deutsch-peruanische Gegenwertfonds in Peru erhalten bleibt – hier wird ein kleiner Teil der Auslandsschulden, die Peru beim deutschen Staat hat, in Sozialprojekte umgewandelt. Eine Schülerin übereicht dem Botschafter 500 Briefe von Schülerinnen und Schülern aus LIma, in denen sie ihre Forderugen an die Staatschef der 8 reichsten Länder der Erde formulierten. Daneben werden dem Botschafter 2000 Briefe von peruanischen Bürgerinnen und Bürgern überreicht.

Zum Abschied bedankt sich Botschafter Dr. Müller für das Treffen und für die farbenfrohe und – wie er mit Blick auf die jüngsten Ausschreitungen in Deutschland betont – absolut friedliche Kundgebung vor den Türen der deutschen Botschaft.

weitere Infos unter: http://www.make-aid-work.org/

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