Wandern zwischen den Welten....

16.07.06

Fiestas Patrias

Es ist mal wieder so weit! Alle Jahre wieder, mitten im Winter... nein!!! Nicht Weihnachten!!!! Fiestas Patrias!!! Die Feierlichkeiten zur Unabhängigkeit Perus von der spanischen Krone. Fiestas Patrias – das ist der wichtigste staatliche Feiertag in Peru, zahlreiche Paraden und Veranstaltungen sind für diese Tage angesagt, alle haben Ferien, fahren zu ihren Verwandten, essen zu viel, gehen sich nach drei Tagen auf die Nerven und sind dann auch froh, wenn der Spuk wieder vorbei ist. Fast wie an Weihnachten eben, nur dass das in dem Fall „Fiestas Patrias“ heißt und man statt eines Weihnachtsbaums eine rot-weiße Flagge hisst... Diese ist das sichtbarste Zeichen von Fiestas Patrias und schmückt schon seit Tagen und Wochen die Häuser und öffentlichen Gebäude.

Das Flaggenhissen ist – wie ich inzwischen weiß – nicht etwa Jedermanns ganz persönlicher patriotischer Gesinnung überlassen, sondern eine Bürgerpflicht, für deren Nichtbeachtung man sogar zur Strafe gezogen werden kann.

So haben auch meine deutschen Freunde Sabine und Alex, die ein paar Blocks von meiner Wohnung entfernt ein Haus bewohnen, von ihrer Vermieterin den Hinweis erhalten, dass sie dieser Pflicht nachzukommen haben. Deutsche hin oder her, das Haus braucht eine Flagge und da gibt es keine Diskussion. Als interkulturell aufgeschlossene Menschen sind die beiden dann also losgezogen, um besagtes Utensil zu kaufen – was nicht wirklich viel Mühe macht, weil die Flaggen derzeit in allen Größen und in verschiedenen Qualitäten an jeder Straßenkreuzung zum Kauf angeboten werden.

Alex entschiede sich für eine hübsche, große Flagge mit dem Regierungswappen drauf – man will ja schließlich nicht geizig wirken! Zu Hause knüpfte er sie auf einen alten Besenstil, den er wiederum mit Schnur und ein bißchen kreativem Geknote am Balkongeländer befestigte und fertig war die Bürgerpflicht: Flagge gehisst! Sabine gab nach einem kritischen Blick die Straße rauf und runter zu bedenken, dass eigentlich alle anderen Häuser der Straße nur die schlichten rot-weiß-gestreiften Flaggen gehisst hätten und sie mit der Wappen-Flagge doch etwas aus dem Rahmen fielen. Aber Flagge ist Flagge und Alex fand, dass der peruanischen Bürgerpflicht damit dann doch wirklich Genüge getan sei.

Andere waren da anderer Meinung... kaum wehte die Fahne im limeñischen Wintergrau, klingelte es kurz darauf an der Tür. Die Nachbarin kam, um ein ausgiebiges Schwätzchen über ihre in Holland lebende Tochter, die Müllabfuhr und den grauen Wintertag zu halten, welches dann nach einer halben Stunde endlich seinem eigentlichen Inhalt entgegensteuerte, nämlich der eben frisch und frei gehissten Fahne! Die gute Nachbarin wies sichtlich indigniert darauf hin, dass die Fahnen mit dem Regierungswappen doch den öffentlichen Gebäuden vorbehalten seien und dass dieses Exemplar also auf jeden Fall wieder einzuziehen wäre. Dezent merkte sie außerdem noch an, dass der krumme Besenstil dem Status der Nationalflagge doch entgegenstehe und schließlich seien Sabine und Alex doch wirklich sehr nette Menschen und man käme ja auch bestens miteinander aus, so in der Nachbarschaft, und also sie hätte da zum Glück ganz zufällig noch eine nagelneue Fahne und eine Fahnenstange übrig und wenn sie die doch bitte gerne annehmen wollten.. woraufhin sie die fein säuberlich gebügelte und gefaltete Fahne aus ihrer Tasche zog, Sabine und Alex ihr peinliches Objekt also wieder entfernten, um dann die richtige Fahne mit der richtigen Fahnenstange unter fachlicher Aufsicht richtig und sachgemäß am Balkon zu installieren. Felices Fiestas Patrias! Da soll noch einer sagen, die Deutschen seien Quadratschädel...


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07.07.06

Kleinere und größere Katastrophen....

Deutschland ist nicht im WM-Endspiel... das löst auch auf dieser Seite des Atlantiks durchaus einige Betrübnis aus. Andererseits.... sagte eine peruanische Freundin ganz richtig: "Es gibt Schlimmeres. Stell' Dir vor, Ihr müsstet die nächsten 5 Jahre mit einem Präsidenten wie Alan García leben..."

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02.07.06

Gringa-Alarm!

Über’s verlängerte Wochenende, das wir dem Heiligen Petrus zu verdanken haben, fahre ich mit Freunden nach Huaraz. Am Mittwoch Abend um 23 Uhr steigen wir in Lima in den Bus, am Donnerstag morgen um 6 Uhr falten wir unsere schmerzenden Knochen in der Provinzhauptstadt von Ancash wieder auseinander und das Wochenende beginnt. An den ersten beiden Tage spüren wir die Höhe noch mächtig in Kopf und Magen – Huaraz liegt auf 3.300 m. über dem Meer und kann schon mal die berühmtberüchtigte Höhenkrankheit „Soroche“ hervorrufen, wir merken’s vor allem beim Bergaufgehen....

Am Samstag aber wagen Jutta und ich uns noch ein Stückchen weiter hinauf: mit dem Taxi lassen wir uns nach „Punta Callán“ fahren. Eine Stunde dauert die ruckelige Fahrt und bringt uns auf 4.225 m. über dem Meer. Unterwegs muss der Taxifahrer immer wieder nach dem Weg fragen: „A Punto Callán???“ – fragt er nacheinander den Fahrer eines Kleinbusses, einen Bauern, eine alte Frau, einen jungen Mann, der mit Esel und Stier unterwegs ist. Die Antworten variieren. Der eine sagt „noch 25 Kilometer“, die nächste „noch 2 Stunden“. „2 Stunden zu Fuß oder im Auto?“ versuchen wir die vage Angabe etwas zu präzisieren... Die Bäuerin runzelt die Stirn. Das hat sie sich so wohl noch nicht überlegt und sie kann sich auch so schnell zu keiner Antwort durchringen. Wir winden uns also weiter die kurvige Straße hinauf. Ein altes Großmütterchen schüttelt auf unsere Frage nur mit dem Kopf. Sie kann wohl nicht weiter helfen...

Nach 20 Minuten Fahrt fragen wir einen Mann, der in seinem roten Poncho am Wegrand sitzt: „A Punta Callán?“ „Oh, das ist noch weit!!“, sagt er und winkt unbestimmt Richtung Berggipfel. „Wie weit?“ haken wir nach. „Weit!!! Bis gaaaanz da oben“, betont er „Der Pass da drüben ist es. Wo die Straße sich verzweigt. Das ist Punto Callán!“ „Wie lange brauchen wir da noch?“ „Noch eine gute halbe Stunde.“ „Danke, dass Du mich frustrierst“ murmelt unser Taxifahrer leicht genervt vor sich hin und fährt weiter. „Was wollt Ihr denn eigentlich da oben?“ wirft er mal eine ganz andere Frage auf. „Runterlaufen!“ antworten Jutta und ich unisono. „Runterlaufen???“ fragt der Taxifahrer ganz entgeistert?! „Ja! Runterlaufen“, bestätigen wir. Ist doch eine super Idee :-)

Nach x weiteren Kurven – die Landschaft ist inzwischen vollkommen karg und baumlos – kommen wir endlich oben am Pass an. Insgesamt ein recht unspektakulärer Ort: eine Kreuzung, ein schlichtes Kruzifix, mehr ist da nicht. Punto Callán. „Hier steigen wir aus“, erklären wir bestimmt und der Taxifahrer bremst. Wir klettern aus dem Auto, ein heftiger Wind fegt uns sofort um die Ohren und reißt uns die Mützen vom Kopf. Die Lust ist staubig und trocken, die Sonne grell. Wir bezahlen mit einem kleinen Aufschlag (für die viele Fragerei) und nach einem kurzen Blick hinab ins benachbarte Tal machen wir uns an den Abstieg.

Unser Taxifahrer zögert noch einen Augenblick, uns hier in dieser Einöde alleine zurück zu lassen, fährt dann aber doch los.... Verrückte Gringas! Komische Ideen haben die!!!

Ganz wohl ist uns ja zugegebenermaßen auch nicht auf dieser Höhe und in dieser einsamen Gegend. Aber schon nach wenigen Minuten haben wir unsere Bedenken zurückgelassen und genießen einfach die gigantisch schöne, grenzenlos weite Landschaft. Gegenüber auf der anderen Talseite leuchten uns die scheebedeckten Gipfel der Cordillera Blanca entgegen. Der Höchste von ihnen, der Huascarán, misst stolze 6788 m. Wir gehen gleichmäßigen Schrittes unseren kleinen Trampelpfad entlang, es riecht nach trockenem Gras, nach Erde und Sonne. Außer dem Pfeifen des Windes ist nichts zu hören, wir fühlen uns klein und unbedeutend angesichts der gigantischen Bergwelt, die uns umgibt, und gleichzeitig doch auch erhaben und eins mit dieser schönen Natur.

Nach etwa eineinhalb Stunden erreichen wir ein Dorf: braune Lehmhäuser, in der Sonne glänzende Wellblechdächer, zufrieden grunzende Schweine, Esel und Hühner in schlichten Gehöften. Neugierige Blicke begegnen uns, „Gringas, gringas“, rufen die Kinder und laufen uns entgegen. „Schenk mir ein Bonbon“, verlangen sie forsch. „Schenk du mir ein Bonbon“, drehen wir den Spieß um. Die Kinder gucken verdutzt. Nein! So geht das doch nicht!

„Gringita!“ ruft eine Bäuerin, die ihre Wäsche vor dem Haus wäscht. „Woher kommst Du?“ „Aus Deutschland“, antworte ich ihr. „Und wohin gehst du?“ „Spazieren, hinunter nach Huaraz“, antworte ich ihr. „Warum machst Du das?“, fragt sie irritiert. „Weil’s schön ist!“. Sie schüttelt den Kopf. Freiwillig in diesen steilen Bergen rummarschieren...auf so eine blöde Idee können auch nur die verrückten Gringas kommen.

Eine Campesina, die ihre kleine Schafherde hütet, lacht verlegen, als wir sie fragen, ob wir ein Foto von ihr machen dürfen. Nach kurzem Zögern gibt sie ihrem Herz einen Stoß, streicht den Rock zurecht, rückt sich den Hut etwas tiefer ins Gesicht und stellt sich in Positur. Als Jutta ihr das Foto auf dem kleinen Display der Digitalkamera zeigt, klatscht sie vor Verwunderung und Freude in die Hände und ruft ganz aufgeregt ihre Nichte und Enkelin herbei, damit auch sie sich vor der Kamera positonieren und an dem technischen Wunder teilhaben!

Wir wandern weiter hinab und klopfen im nächsten Dorf an einer kleinen Bodega an, um Wasser zu kaufen. Die Tür ist offen, doch es antwortet niemand. Wir klopfen nochmal, diesmal lauter. Der Nachbar streckt seinen Kopf zur Tür raus. „Ist da jemand zu Hause?“ fragen wir? „Ja“, sagt der Nachbar und brüllt Richtung zweiter Stock „Charo, komm runter, hier sind zwei Gringas, da kannst Du ein Geschäft machen“. Die Ladenbesitzerin Charo kommt auch gleich herbeigeeilt. Mineralwasser ist aber aus. Cola Real kann sie uns anbieten – das aber wollen wir nicht. Pech gehabt. Im nächsten Laden, ein paar hundert Meter weiter, haben wir mehr Glück und die Ladenbesitzerin verkauft uns gerne zwei Flaschen Wasser, nicht ohne zuerst zu fragen, wo wir zwei Gringas denn herkämen und was wir hier machen.

Die selben Fragen begegnen uns noch diverse Male an diesem Tag, genauso wie die unverhohlen neugierigen Blicke und lachenden Gesichter. Wir Gringas sind Fremde in dieser Welt und doch fühlen wir uns nicht wie störende Eindringlinge, sondern wie eine höchst willkommene Abwechslung im Dorfalltag. Die Leute halten uns für ein bißchen verrückt. Aber was soll’s... so ganz unrecht haben sie damit ja auch gar nicht...

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