Wandern zwischen den Welten....

26.11.06

Vamos a la playa

Im Dezember beginnen die Strände Limas sich zu bevölkern und vor allem an den Wochenenden in eine einzige große Partylandschaft zu verwandeln. Die lange herbeigesehnte Strandsaison beginnt! Während sich das gemeine Volk unmittelbar an den Küsten vor der Stadt tummelt, erfreuen sich die weiter abgelegenen Strände im Süden Limas, etwa 40 km außerhalb, bei der High Society großer Beliebtheit, weil sie ruhiger, exklusiver und angeblich auch sauberer sind. Dies mag für den Strand durchaus stimmen - für das Meer gilt es jedenfalls nicht!!! Denn wo auch immer man in diesen Monaten an Lima’s Küsten ins kühle Wasser steigt, das umgebende Nass hat mit Meerwasser nicht mehr viel gemein: heute steht in der Zeitung zu lesen, dass das Ökosystem vor der Küste Limas quasi vor dem Kollaps steht. Pro Sekunde werden 5.000 Liter ungeklärter Abwässer in die Meeresbucht vor Lima eingeleitet, das sind pro Minute 300.000 Liter, pro Stunde 18 Millionen Liter, pro Tag 432 Millionen Liter, pro Woche über 3 Milliarden Liter... Auf’s Jahr gerechnet mag man sich das gar nicht mehr vorstellen. Die Kapazitäten der Kläranlagen Limas decken dagegen nur knapp 10% des Gesamtbedarfs ab.

Na denn.... fröhliche Strandzeit allerseits !!!

Peruanische Realitäten...

Eine Bekannte von mir arbeitet als Beraterin in einer peruanischen Behörde. Dort werden alle MitarbeiterInnen – wie sie mir neulich erzählte – etwa zweimal pro Woche schriftlich daran erinnert, dass man doch eine öffentliche Institution repräsentiere und deshalb bitte auf gepflegtes Äußeres zu achten habe.

Schön und gut.

Die Tatsache, dass die gleiche Institution (wie übrigens fast alle öffentlichen Einrichtungen in Peru) am wenigsten öffentlich besprochenen, aber nichtsdestotrotz insgeheim durchaus an Wichtigkeit nicht zu verleugnenden Örtchen kein Papier bereitstellt, führt dazu, dass man in den Gängen dieser Institution ganz selbstverständlich fein geschminkte Damen im Kostümchen und Herren in adretten Anzügen und polierten Schuhen mit der privaten Klopapierrolle unter dem Arm Richtung Toiletten wandern sieht.

Tja..... auch dies steht in gewisser Weise durchaus repräsentativ für den peruanischen Staat...

12.11.06

Esquina bajaaa !!!

Busfahren in Lima gehört definitiv zu den unterhaltsamsten und abenteuerlichsten Unternehmungen, denen man sich in dieser Stadt aussetzen kann. Es fängt damit an, dass der Lima-Unkundige schon gar nicht weiß, welchen Bus er denn aus dem enorm großen Angebot eigentlich auswählen soll. Busse gibt’s nämlich viele! Sehr viele!! Die Straßen sind voll davon – gestopft voll, sozusagen. Die Busse heißen hier Combis und sind in ihrer großen Mehrzahl im Besitz von privaten Busunternehmern.

Früher fuhren diese Combis durch die Straßen von Tokio, Shanghai oder Peking, was sich noch aus den chinesisichen bzw. japanischen Aufschriften im Businnern ersehen läßt. Nach ihrem ersten Leben in Asien sind sie nun also in Peru gelandet und drehen hier fleißig ihre Runden. Und diese Runden kennt man - oder man kennt sie eben nicht. Auf dem Trittbrett eines jeden Busses hängt eine Art transportabler Marktschreier, der bei halb aufgeklappter Tür aus dem Bus hängt und lauthals die Route auf die Gehsteige brüllt. Das hört sich dann ungefähr so an: „Todoarrrrequiipabennnnavideslarrrrcolarrrrrcobenavidesssssssssstodo-
arrrequipalarcomarbenavidesssssssslarcolarrrrcoooooo!“ Nichts verstanden??? Gut :-)
....dann passt die Beschreibung ja! Man kann diesen mit heißerer Stimme gebrüllten Kauderwelsch aus Straßennamen und anderen städtischen Referenzpunkten nämlich beim besten Willen nicht verstehen. Das muss so sein!!! Wer also selbstverständlich kein Wort versteht, kann fragen, oder einfach einsteigen und sehen, wo das Abenteuer ihn hinführt.

Fairerweise muss ich vielleicht schon noch dazu sagen, dass außen auf dem Bus die Fahrtrichtung angegeben ist – allerdings für Lima-Unkundige in einer Art kryptischer Verrschlüsselung, so dass es letztlich nur für den hilfreich ist, der sich ohnehin auskennt. Man muss zum Beispiel schon wissen, dass „Arequipa“ in keinster Weise bedeutet, dass der Bus nach Arequipa fährt, sondern in die Avenida Arequipa in Miraflores. Für einen Sol kann man ja auch nicht mehr erwarten!!! Außerdem dämmert auch dem dämlichsten Lima-Unkundigen ziemlich schnell, dass mit den Aufschriften auf den Bussen irgendwas faul ist, wenn er auf dem nächsten Bus dann „Brasil“ lesen kann – womit natürlich nicht Brasilien gemeint ist, sondern die Avenida Brasil, die vom Zentrum in Lima über Pueblo Libre bis runter zum Meer führt. Logisch!!

Hat man also mal einigermaßen ausgeklügelt, welcher Bus in welche Richtung fährt und sich dafür entschieden, sich tatsächlich auf diese Fahrt einzulassen, dann kann man den entsprechenden Bus an jeder, wirklich jeder!!! beliebigen Stelle anhalten und sicher sein, dass der Busfahrer alles tun wird, um einen auch wirklich an Bord zu nehmen. Für einen zahlenden Fahrgast bremst man doch gerne mal ein paar Dutzend Autos aus oder schert kurz vor einem auf der rechten Fahrspur rasenden Combi ein um dann eine richtig schöne, fette und punktgenaue Vollbremsung hinzulegen, die die Fahrgäste in beiden Bussen durcheinanderwirbelt wie Popcorn in der Maschine. DAS ist wahrhafter „Dienst am Kunden“.

Kaum hat man den Fuß auf dem Trittbrett, nimmt der Bus seine rasende Fahrt auch wieder auf und man hangelt sich wie ein Affe durch den Bus zu einem hoffentlich noch freien Sitzplatz, sich dabei krampfhaft an Sitzen, Fensterscheiben oder anderen Fahrgästen festklammernd..... Immer schön festhalten ist wichtig, denn die nächste Vollbremsung könnte schon an der nächsten Ecke lauern!!

Und weiter geht die Fahrt, immer schön drauf mit dem Fuß auf’s Gaspedal und schnell noch rüber über die Kreuzung, bevor man die Ampel endgültig als rot interpretieren muss, weil sich von der anderen Seite der Verkehr in die Kreuzung drängt!

Den Bus, der uns eben noch so unverschämt ausgebremst und uns einen Fahrgast direkt vor der Nase weggeschnappt hat – dem zeigen wir jetzt mal, was ne Harke ist. Wir treten das Gaspedal durch, so weit es die verrostete Karrosserie zuläßt und – ha! – den nächsten Fahrgast schnappen wir uns! Ätsch! Ausgebremst!!!

Wer bei diesem Wechselbad zwischen Turbobeschleunigung und Vollbremsung noch Nerven hat, kann sich voll und ganz dem Genuss der lautstark aus allen Boxen dröhnenden Salsa-Musik hingeben oder sich in die Lektüre der Zeitung seines Sitznachbarn vertiefen – sofern nicht irgendein Hintern der ungefähr 15 Leute, die sich im Gang drängen, die Sicht versperrt....

Nicht nur beim Einsteigen, auch beim Aussteigen versucht man es dem Kunden so recht wie irgend möglich zu machen. Sobald ein Fahrgast sein „Esquina bajaaaa“ („an der nächsten Ecke steige ich aus“) durch den Bus ruft, schert der Bus wieder rechts ein, koste es was es wolle, sollen die da hinten ruhig alle wütend protestieren und hupen, hier muss einer aussteigen und das hat schließlich Vorrang! Tja... Dienst am Kunden eben!!

In Deutschland würde ich mir manchmal ein bißchen was davon wünschen, wenn mir die Straßenbahn mal wieder vor der Nase wegfährt... Andererseits weiß ich es inzwischen durchaus auch zu schätzen, dass es in Deutschland so spießige Errungenschaften wie Fahrpläne, Bushaltestellen, TÜV und Verkehrsregeln gibt... hierkann das ja auch schnell mal so enden:

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10.11.06

Überrumpelt....


Am Donnerstag Abend, ich saß gerade am Computer und grübelte noch über einem Workshopkonzept, klopfte es an meine Wohnungstür. Draußen stand der Chico, der bei uns im Haus tagtäglich mit unermüdlichem Eifer die Treppen, den Hof und den Gehsteig fegt, ausgestattet mit Besen, Kehrschaufel und einer Atemmaske, als ob es sich um einen Arbeiter in einem Atomkraftwerk handle. Ich kenne ihn, seit ich hier wohne, habe aber bisher nie mehr als die Worte „hola, cómo estás?“ und „hasta luego“ mit ihm gewechselt. Dieser Chico, dessen Namen ich nicht kenne und den ich ohne seinen Mundschutz zunächst kaum erkannte, stand also vor mir, mit einem nervösen Lächeln und zwei Tüten bewaffnet, und fragte mich, ob ich nicht einen Weihnachtsschmuck kaufen wolle, den seine „Señora“ – wie er sich ausdrückte - zu Hause selber bastle. Sprach’s und hielt mir auch prompt zwei Objekte zur Auswahl vor die Nase: Das eine ein grinsender Weihnachtsmann mit Glöckchen und Zimbeln verziert, das andere ein Türschmuck mit Schneemännern und der für Lima ach so passenden Aufschrift SNOW. Die Schneemänner sollten 25 Soles kosten, der Weihnachtsmann – weil etwas aufwändiger in der Verarbeitung – 35 Soles, erklärte mir der Chico sofort. Ich – noch ganz vertieft in mein Workshopkonzept – war so verdutzt, dass ich mich erst mal sammeln musste und fragte also etwas dümmlich: „Ah...du willst das verkaufen....?...aha... ja... äh... also... und das bastelt deine Mutter also selbst zu Hause...???“ während ich im Innern fieberhaft zu überlegen begann, wie ich „nein“ sagen könnte ohne wirklich „nein“ zu sagen. Dass mir so auf die Schnelle nichts Passendes einfiel, versetzte mich in Stress und peinliches Unbehagen...

„Nein, nicht meine Mutter, meine Frau!“ erläuterte mir der Chico etwas indigniert.

Ich – noch verdutzter, dass dieser Jungspund schon verheiratet ist und noch dazu von seiner Ehefrau als „mi Señora“ spricht - war nun gänzlich peinlich berührt angesichts diesesFauxpas und sah mir also widerstrebend die angepriesene Ware näher an. Da mir beim besten Willen keine Ausrede einfiel, beschloss ich mich resignierend in mein Schicksal zu fügen und das billigere von beiden Objekten zu kaufen, um der Peinlichkeit ein Ende zu bereiten. Da ich das Geld nicht passend hatte, vereinbarten wir, dass ich am folgenden Tag bezahlen würde. Der Chico bedankte sich und zog von dannen.

Ich schloss die Wohnungstür – und da stand ich nun, mit einem superscheußlichen Türschmuck, den ich zu häßlich finde, um ihn zu verschenken.... Was mache ich nun mit dem im frühlingserwachten Lima so gänzlich unpassenden Ding? Ich hänge es mir an die Wohnungstür – als Mahnmal, selbige nie zu öffnen, bevor ich nicht durch den Spion gespäht habe um zu sehen wer oder was mich da erwartet und mich mental vor Überrumpelungsaktionen jedweder Art zu wappnen!!! :-)

07.11.06

El dia de los muertos - Tag der Toten

Der Tag der Toten – Allerheiligen – ist in Peru alles andere als ein trübseliger Tag. Ganz im Gegenteil – aus nah und fern kommen die Menschen zu den Gräbern ihrer Familienangehörigen und feiern das Gedenken an den geliebten Menschen.

Da werden Lieblingsspeisen aufgetischt, das Grab mit Blumen geschmückt, die Pacha Mama mit Bier verwöhnt.

Auf dem Friedhof herrscht ein buntes Treiben – Blaskapellen spielen zum Tanze auf,eine Vielzahl von Essensständen bieten von Ceviche bis Pachamanca alles, was in Peru gern gegessen wird.

Für’s Heulen und Zähneklappern kann man Profis engagieren und muss sich dann schon nicht mit trüben Gedanken herumschlagen, auch das Beten für den Toten wird an einen Profi delegiert, der schon auch mal ein paar lateinische Verse aufsagen kann. Grabkreuze werden an diesem Tag zur Ehre des Toten neu bemalt, und wer kein Geld für ein Grabkreuz hat, der bemalt eben die Steine auf dem Grab.
In jedem Fall soll’s bunt sein, nicht nur im Leben, sondern auch im Tod. Und keiner kriegt das besser hin als die Latinos! Viva la Vida - es lebe das Leben!

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